Skiorte, die auf Facebook surfen: Internationaler Benchmark für den Bekanntheitsgrad (II)
ReseauSocial StationDeSkiENGAGEMENT DER FANS
Diese Analyse schliesst an einen Beitrag vom 26.2.2013 an, in dem es um die Verwendung von Facebook durch die Walliser Tourismus-Destinationen ging. Verglichen wurde das Facebook-Verhalten in der Schweiz mit demjenigen im Ausland. Wir hatten damals die Anzahl der Fans in den Vordergrund gerückt. Allerdings erlaubt die Anzahl der Fans allein nicht, den Erfolg einer Marketing-Strategie zu bestimmen. Deshalb schlagen wir hier einen weiter gefassten Ansatz vor, bei dem wir von der Analyse der Interaktivität zwischen den Fans und ihrer bevorzugten Destination ausgehen. Abschliessend stellen wir auch noch die Frage nach dem „Return On Investment“ bzw. der Rentabilität.
BESTIMMEN DER INTERAKTIVITÄT AUF DEN SOZIALEN NETZWERKEN: METHODEN UND ZIELSETZUNG
Die Anzahl der Fans ist einfach zu bestimmen Das Engagement innerhalb der Community zu messen, ist hingegen einiges komplexer und die Auswertung der Ergebnisse eher heikel (1). Aber das Messen der Interaktion über eine bestimmte Zeitspanne hinweg (zum Beispiel 30 Tage) und der Versuch, die Interaktion zu steigern, kann durchaus sinnvoller Teil einer Markenstrategie sein.
Um die Unabhängigkeit der Messdaten zu gewährleisten, haben wir mit zwei verschiedenen Monitoring-Instrumenten für soziale Netzwerke gearbeitet, nämlich mit Quintly (www.quintly.com) und Fanpage Karma (http://www.fanpagekarma.com), mit denen wir grosse Mengen von Daten gesammelt haben. Beide wenden ähnliche Methoden an.
- Mit Hilfe von Quintly haben wir die Daten für ein Panel von 36 Skiorten in den Alpenvom 2. Februar bis zum 4. März 2013 erhoben. Unser Ziel war es, eine statistische Monatsübersicht mitten in der touristischen Wintersaison zu erhalten. Bei einem sozialen Netzwerk wie Facebook ist das Engagement der Fans das wichtigste Kriterium einer Performance-Analyse. Genauer gesagt interessiert die Interaktionsrate. Dank dieser Grösse ist es möglich, sich eine Meinung vom qualitativen Wert einer Seite zu machen und einzuschätzen, wie gut diese ihre Gemeinschaft (= Community) abholt, mobilisiert und zum Interagieren bringt. Bei Quintly wird die Interaktionsrate über die Gesamtzahl der Interaktionen bestimmt (Summe aller „Comments“, „Shares“ und „Likes“ für jeden Beitrag), die durch die Anzahl der Fans einer Seite dividiert wird. Diese Kennzahl ermöglicht abzuschätzen, welche Destination ihre Fans am besten zu einer Interaktion auf ihrem Konto zu bewegen vermag.
- Bei Fanpage Karma haben wir die Daten vom 20. März bis zum 19. April 2013 erhoben, und zwar für eine erweiterte Stichprobe von 155 Destinationen im Alpenraum (5 in Deutschland, 35 in Österreich, 24 in Frankreich, 9 in Italien, 33 in der Schweiz und 33 im Wallis), in den USA und in weiteren Regionen auf der Welt (16 Destinationen). Die Interaktion mit den Fans wird hier anhand des Indikators „Engagement“ gemessen, der als Mittelwert aller „Likes”, „Comments” und „Shares” pro Tag dividiert durch die Anzahl der Fans definiert ist. Für eine Facebook-Seite bedeutet die Angabe 1 % somit, dass durchschnittlich 0.001 Interaktionen pro Fan und Tag stattgefunden hat. Gemäss einer Studie von Fanpage Karma mit einer Stichprobe von 60'000 Facebook-Seiten erreichen lediglich 10 % der Seiten ein Engagement von über 1.2 %; für Seiten im Reisebereich liegt der Wert bei 1.5 %.
ENGAGEMENT DER COMMUNITY AUF FACEBOOK
Tabelle 1 zeigt die Interaktionsrate der Destinationen mit ihrer Fan-Community (Analyse auf Basis der Quintly-Daten) über die Zeitspanne eines Monats. Für zahlreiche Facebook-Seiten liegt die Interaktionsrate unter 1,5. Das bedeutet, dass auf diesen Seiten eine Publikation durchschnittlich weniger als 1,5 Interaktionen pro 100 Fans der Seite generiert hat. 14 Destinationen weisen eine Interaktionsrate von über 1,5 auf, wovon 7 Destinationen eine Interaktionsrate von über 2. Was nun die Walliser Destinationen angeht, so weisen 4 von ihnen eine hohe Interaktionsrate von über 1,5 auf (Zermatt, Saas-Fee, Nendaz und Leukerbad). Zermatt-Matterhorn erreichte die allerhöchste Interaktionsrate aller Destinationen im Alpenraum, die wir analysiert haben. Dies belegt, dass die Fan-Community von Zermatt-Matterhorn im Analyse-Zeitabschnitt sehr aktiv war.
Tabelle 1: Interaktionsrate (horizontale Achse) auf der Facebook-Seite von 36 Destinationen im Alpenraum. Rot: Walliser Destinationen (VS). Weiss: Österreich (A), Schweiz (CH), Frankreich mit den Departementen Savoie und Haute-Savoie (F) und Italien (I). Monatswerte, berechnet über die Zeitspanne vom 2. Februar bis zum 4. März 2013. Bezug der Daten: quintly.com.
Erklärung: Wir haben die Engagement-Rate von 36 Walliser Destinationen vom 2. Februar bis zum 4. März 2013 bestimmt. Es muss festgehalten werden, dass eine Engagement-Rate für Facebook-Seiten mit weniger als 2000 bis 3000 Fans statistisch nicht signifikant ist. Je kleiner die Anzahl der Fans (Schwellenwert bei etwa 3000 Fans), umso mehr fluktuiert die Engagement-Rate und tendiert zu Extremwerten (sehr gering oder sehr hoch). Anders gesagt: Damit der Wert „Engagement-Rate“ aussagekräftig ist, muss die statistische Stichprobe mindestens 3000 Fans umfassen. Tabelle 1 umfasst alle Destinationen im Alpenraum, die zu unserer Stichprobe gehören und der Mindestanforderung entsprechen (Anzahl der Fans >3000). Von den 36 Walliser Tourismusorten haben nur 11 eine Fanzahl von über 3000. Die Engagement-Rate dieser 11 Walliser Destinationen erscheint in Tabelle 1 in Rot.
Die Tatsache, dass Zermatt Matterhorn die höchste Interaktionsrate aufweist, könnte zum Schluss führen, dass die Seiten mit den meisten Fans auch die höchste Interaktionsrate aufweisen. Das wäre aber ein Fehlschluss. Tatsächlich erreicht die Facebook-Seite der Destination Zermatt Matterhorn nicht nur viel Aufmerksamkeit (Anzahl der Fans), sondern gleichzeitig auch eine hohe Interaktionsrate. Demgegenüber kommt Crans-Montana zwar die grösste Aufmerksamkeit zu (>32'000), aber die Fans haben mit weniger Engagement auf die einzelnen, innerhalb des Beobachtungszeitraums abgesetzten Posts reagiert. Die Destinationen Leukerbad, Saas-Fee und Nendaz haben ihrerseits eine viel geringere Fanzahl (<10'000), ihre Fans haben jedoch in der Beobachtungszeit intensiv interagiert.
Gemäss der lokalen Presse (3) hat die Facebook-Seite von Crans-Montana diesen Winter unheimlich viel Erfolg gehabt. Am 21. Januar 2013 habe sie sogar die Grenze von 30’000 Fans geknackt, was sie zur Facebook-Seite mit den meisten Fans unter allen Schweizer Skiorten mache. Tatsächlich hat Crans-Montana seine Marketingkampagne im Winter 2013 auf die sozialen Netzwerke ausgerichtet. Nadège Chiarada ist für die Medienbeziehungen und die Kommunikation der Destination verantwortlich; sie bestätigt, dass eine Werbekampagne mit einem Fotowettbewerb die hohen Fanzahlen bewirkt habe. „Zu Beginn der Wintersaison verfolgten wir das Ziel, eine Skipauschale namens „Fan de ski“ unter die Leute zu bringen. Für dieses Minipreis-Angebot haben wir einen kleinen Lancierungsfilm auf YouTube veröffentlicht.“ Das Video, das 500'000 Mal angeschaut wurde, regte zur Teilnahme an einem Fotowettbewerb an. Crans-Montana war damit so erfolgreich, dass allein im Januar 2013 7000 neue Fans dazugekommen sind! Leider gibt es aber keine Zahlen zur Interaktionsrate für die gleiche Zeitspanne. Allerdings kann man davon ausgehen, dass auch sie sehr hoch war.
Es gibt zahlreiche Analyse-Instrumente für die sozialen Medien. Wir haben Fanpage Karma benutzt, um die Destinationen im Wallis mit anderen bekannten Tourismusorten in Europa und Nordamerika in Bezug auf ihre Facebook-Präsenz zu vergleichen.
Analysiert man die Aktivität auf den Facebook-Seiten von Tourismusorten in den Bergen auf internationaler Ebene, so wird deutlich, dass kein einfacher Zusammenhang besteht zwischen der Grösse einer Community und dem Engagement der Fans (siehe nachfolgende Tabelle sowie detaillierte Angaben in der Datei „Dashboard 155 destinations“ am Ende unseres Beitrags). Augenfällig ist aber, dass die Aktivität* auf den Facebook-Seiten der bedeutenden Skiorte in den USA, mit mehreren 10'000 bzw. 100'000 Fans, weit über der Aktivität auf den Seiten von Schweizer Schneesportorten liegt. Die Durchschnittswerte für den Indikator „Talking about“ liegen in den USA bei mehr als 3000; für die erstplatzierten Walliser Destinationen liegen sie etwas über 600. Natürlich rührt das zum Teil daher, dass Facebook in den USA generell sehr viel stärker genutzt wird als bei uns (durchschnittlich 100'000 Fans für die von uns untersuchten Skiorte). Aber das ist nicht alles. Die stärkere Aktivität auf den Facebook-Seiten der US-Skiorte hängt auch mit einem höheren Publikationsrhythmus zusammen (durchschnittlich 1.7 Posts pro Tag). Die Walliser Skiorte sind viel weniger aktiv (etwa 0.6 Posts pro Tag).
Tabelle 3: Durchschnittswerte und 90. Zentil (trennt die unteren 90 % der Daten ab) der Hauptindikatoren (KPI) von 155 Facebook-Seiten von Tourismus-Destinationen nach Region und Land. Bezug der Daten: fanpagekarma.com.
Jede Tourismus-Organisation sollte idealerweise das Ziel anstreben, eine möglichst umfangreiche und möglichst aktive Fangemeinschaft zu haben. In unserer Darstellung wurde dieser Ansatz für den Fanpage-Karma-Panel wie folgt berücksichtigt: Anzahl der Fans > 20'000, Engagement-Rate >1 %. Diejenigen Destinationen, die beide Kriterien erfüllen, erscheinen grün in Tabelle 3. Jackson Hole Mountain Resort (USA) erreicht das beste Ergebnis mit einer Fanzahl von weit über 100'000 und einer relativ hohen Engagement-Rate von 1.49 %. Was die Schweiz betrifft, erreichen nur 4 Destinationen, wovon 2 im Wallis (St. Moritz, Davos, Zermatt und Crans-Montana) sowohl in Bezug auf die Fanzahl als auch die Engagement-Rate gute Ergebnisse. Da die Entwicklung der sozialen Medien in den USA bedeutend früher eingesetzt hat als in Europa, kann man die Ergebnisse dieser 4 Schweizer Skiorte durchaus als sehr gut bezeichnen.
Hingegen müssen die meisten Walliser Skiorte ihren Einsatz auf den sozialen Netzwerken verbessern und intensivieren, damit sie das oben angekündigte Ziel erreichen: eine möglichst grosse Community mit möglichst aktiven Fans. Auch wenn einige kleinere Communities mit aktiven Fans aufwarten können, hilft das wenig, denn die internationale Konkurrenz zeigt klar, dass eine gewisse kritische Masse unabdingbar ist, um eine gute Performance zu erreichen.
WELCHE KONKRETEN RESULTATE KANN MAN VON DEN SOZIALEN MEDIEN ERWARTEN?
Für eine Tourismus-Organisation bieten die sozialen Medien neue Möglichkeiten zur Kommunikation und Interaktion mit bestehenden Kunden und potenziellen Neukunden. Vordergründig sind die sozialen Medien gratis; aber ein Facebook-Konto zu pflegen, erfordert Investitionen. Die Frage stellt sich, ob nun eine Tourismus-Destination einen „Community Manager“ einstellen muss, eine Art Markenguru auf dem Internet. Und welchen Betrag muss sie für die Online-Inhalte einsetzen? Es scheint relativ einfach, die direkten Kosten abzuschätzen. Schwieriger wird es, wenn man sich für den „Return On Investment“ bei den sozialen Netzwerken interessiert.
Greifen wir als Beispiel noch einmal den Fotowettbewerb des Winters 2012-2013 von Crans-Montana auf. Hat ein in diese Facebook-Kampagne investierter Franken mehr zusätzliche Skifahrertage oder Übernachtungen generiert als ein Franken, der ein Jahr zuvor in die PR-Aktion mit dem Goldnugget (4) investiert wurde? Charlene Li, Gründerin von Altimeter Group und Expertin für soziale Netzwerke erklärt, dass die „Rentabilität der Investitionen von sekundärer Bedeutung“ sei (5)? Laut ihr muss die erste Frage lauten: „Was will ich erreichen? Welches Ziel habe ich?“ Im Fall der sozialen Netzwerke geht es den Unternehmen nicht in erster Linie um eine Umsatzsteigerung, sondern um Innovation und neue Ideen, wie man Produkte und Dienstleistungen weiterentwickeln könnte.
Crans-Montana hat als Destination, unter anderem mit dem Fotowettbewerb, den Weg gefunden, mit seinen 30'000 Fans auf Facebook sozusagen Instant-Kommunikation zu pflegen. Dank der Reichweite dieses direkten Kanals kann Crans-Montana künftig mit geringem finanziellem Aufwand Werbung für seine künftigen Produkte machen und deren Existenz ohne zeitliche Verschiebung bei einem grossen potenziellen Kundenkreis bekannt machen. Dazu kommt ein weiterer Vorteil: Die Fans haben mit den anderen Nutzern des Facebook-Kontos von Crans-Montana Gratisfotos geteilt. Was für eine emotionale Wirkung haben solche Amateur-Fotos, Aufnahmen von unvoreingenommenen Touristen und deren begeisterte Kommentare auf das Image eines Orts? Die Antwort ist offensichtlich: Die besten Botschafter einer Marke sind ihre Kunden.
Die Spezialisten von sozialen Netzwerken sind sich darin einig, dass die Destinationen eine gewisse Kontrolle über die Beiträge ihrer Fans bewahren müssen. Hat zum Beispiel irgendwo in der Schweiz ein Zug Verspätung, so hagelt es negative Kommentare auf der Facebook-Seite der SBB, und die Meldung wird vor den Augen der 50'000 Fans der Bundesbahnen ausgeschlachtet. Die Monopolstellung der SBB dämpft allerdings ihre Verletzbarkeit. Stellen wir uns aber vor, dass an einem Schweizer Skiort in der gleichen Woche die Skilifte wiederholt stillstehen. Diese Information wird von der lokalen Presse nicht unbedingt auf die Titelseite gehievt, aber eine Vielzahl von Internetnutzern wird sie aufgreifen – und dann vielleicht eher eine andere Destination für das nächste Skiweekend wählen, um Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Mund-zu-Mund-Propaganda gab es schon immer, mit ihren Vor- und Nachteilen. Was heute neu ist, ist die Tatsache, dass die sozialen Netzwerke eine praktisch sofortige Reaktion ermöglichen und eine grosse Zahl von Kunden direkt beeinflussen können.
Nachweise
(1) Brynley-Jones Luke (2013). Social media quality: the forgotten metric? http://econsultancy.com/ch/blog/62236-social-media-quality-the-forgotten-metric am 23.2.2013.
(2) http://blog.fanpagekarma.com/2013/02/13/Facebook-engagement-interaction-rates/?lang=en
(3) Zufferez Claude-Alain (2013). Crans-Montana. La page de la station fait un malheur sur Facebook. Plus de 30'000 fans connectés. Le Nouvelliste, 28.1.2013.
(4) Danielle (2011). Après la ruée vers l’or, Crans-Montana offre une „vraie pépite“ à ses visiteurs, 14.11.2011. http://blog.sixieme-dimension.ch/index.php/2011/10/14/2659-apres-la-ruee-vers-l-or-crans-montana-offre-une-vraie-pepite-a-ses-visiteurs
(5) D’Arcy Doran (2013). Credit Suisse. 5.3.2013. https://www.credit-suisse.com/ch/de/news-and-expertise/news/economy/global-trends.article.html/article/pwp/news-and-expertise/2013/03/de/social-media-marketing-its-not-about-roi.html