Wie können virtuelle Assistenten Hoteliers entlasten?
Marketing Hotellerie Suisse GestionInterview mit Fabienne Jeanneret – « Reception Remote »
Ein Treffen mit Fabienne Jeanneret, Gründerin von Reception Remote, einem Projekt für virtuelle Assistenten- und Marketing-Dienstleistungen für die Hotellerie.
Kannst du in 5-10 Sätzen beschreiben, was genau Reception Remote ist?
Reception Remote sind virtuelle Assistentinnen und Assistenten für Hoteliers, welche in arbeitsintensiven Zeiten, bei geringer Auslastung oder bei krankheitsbedingten Ausfällen administrative Arbeiten übernehmen oder im Marketing einspringen.
Wie bist du auf die Idee für das Projekt gekommen?
Die Idee entstand in Zusammenhang mit meiner Marketing Agentur. Ich betreute ein Hotel im Kanton Graubünden. Zirka eine Woche vor Beginn der Hochsaison, hat mich der Besitzer damit beauftragt, mich von nun an auch um seine Emails zu kümmern. Darauf habe ich ihm geantwortet, dass wir eine Marketingagentur sind und uns grundsätzlich nicht um die Emails kümmern. Er meinte dann, das gehöre auch zum Marketing. Ich musste ihm eingestehen, dass er nicht ganz unrecht hatte, denn Marketing fängt beim Email bzw. beim ganzen Buchungsprozess an. Schlussendlich haben wir uns darauf geeinigt, dass ich diese Arbeit für ihn während sechs Wochen übernehme. Anschliessend wollte ich für ihn eine virtuelle Assistentin suchen. Das ist heute mit Webmails und online PMS Systemen sehr gut möglich. Das Ganze hat so gut funktioniert und der Hotelier hatte dermassen Spass an dem Konzept, dass wir zusammen die Idee weiter ausgearbeitet haben. Im Endeffekt bedeutete dann aber die Projektentwicklung doch ein bisschen zu viel Arbeit für das Hotel, insbesondere auch deshalb, weil der Besitzer bald in Rente geht. Er ist jedoch nach wie vor sehr überzeugt von der Idee. Um das Projekt weiterzuentwickeln, habe ich Assistentinnen gesucht und insgesamt 80 Bewerbungen für dieses Hotel erhalten.
Hast du die Stellen in der ganzen Schweiz ausgeschrieben oder nur in der Region?
Nein, ich habe nur eine Stelle für eine virtuelle Assistentin ausgeschrieben. Von den Bewerbungskandidatinnen und –kandidaten habe ich zehn eingeladen, von denen ich einen Grossteil hätte anstellen können. Es waren alles gut qualifizierte Leute, was mich überraschte, da sich alle Hoteliers immer beschweren, dass sie kein Personal finden. Alle waren sprachlich begabt, verfügten über gute Marketingkenntnisse und weitere Kompetenzen. Sie befinden sich lediglich in einer speziellen Situation. So haben sie zum Beispiel ein Kind zu Hause, oder können bzw. wollen nicht mehr zu 100 Prozent arbeiten. Also habe ich mir gedacht, dass das Bedürfnis nach «remote» hier gross ist.
Habt ihr dann auch in anderen Hotels das Konzept Reception Remote getestet?
Ich bot über meine Agentur ein ähnliches Model an, welches «Flexmarketing» hiess. Anschliessend habe ich den Hotels, welche bereits im «Flexmarketing» teilnahmen, aufgezeigt, dass sie mit Reception Remote nochmals die Kosten senken können. Die Hoteliers fanden das sehr interessant. Zudem habe ich auch noch mit den Anbietern von Online PMS Systemen gesprochen und diese haben ebenfalls bestätigt, dass dies genau den Bedürfnissen der Hoteliers entspricht.
Wie schafft ihr es, auf die Bedürfnisse eines jeden Hotels einzugehen?
Wir machen grundsätzlich immer einen «OnBoarding-Prozess». Wir bieten vier Dienstleistungen an: generelle Rezeptionsarbeiten, administrative Arbeiten, Marketingarbeiten und die OTA Verwaltung. Zuerst schauen wir mit den Hoteliers, wo ihre Baustellen bzw. Engpässe sind. Jemand braucht vielleicht mehr Hilfe im Marketing, der andere braucht eher Hilfe beim Personalwesen etc. Beim «OnBoarding-Prozess» gehen wir auf jede Dienstleistung genau ein und schauen mit dem Hotelier wo die Probleme sind. Die Empfangsangestellten in einem Stadthotel sind am Sonntag zum Beispiel nicht genügend ausgelastet. Da stellt sich der Hotelier die Frage, ob es sinnvoll ist, während 10 Stunden zwei Rezeptionistinnen aufzubieten, wenn während des ganzen Tages vielleicht nur drei Personen einchecken oder anrufen. Die kleinen Alpenhotels haben die gegenteilige Situation. Während dem Wochenende ist viel Betrieb und anfangs der Woche eher weniger. Es braucht jemanden, der die Emails beantwortet und die Reservierungen entgegennimmt. Diese Tätigkeiten entsprechen aber nur einer Stunde Arbeit am Tag. Administrative Arbeiten sind projektbasiert und die Marketingarbeiten, d.h. die Planung, das «Posting» und die Betreuung, haben wir bis jetzt mit den meisten Kunden nur über «Social Media» gemacht. Ein weiterer Aspekt ist das wöchentliche Versenden von Newslettern. Wir erstellen für den Kunden auch einen Kampagnenplan.
Wie wahrt ihr die Eigenheiten jedes Hotels auf Social Media?
Jede Rezeptionistin kümmert sich selbst um die Posts. Eine Rezeptionistin kann bis zu acht Hotels gleichzeitig verwalten. Wir schauen aber gezielt darauf, dass keine Rezeptionistin mehrere Hotels aus der gleichen Destination betreut, sondern immer aus unterschiedlichen Ortschaften.
Gibt es in der Schweiz noch andere Unternehmen, die solche Dienstleistungen anbieten?
Wir sind schweizweit die Ersten, welche auf die Hotelbranche spezialisiert sind. Das Modell virtuelle Assistenz ist in Deutschland sehr beliebt. Es gibt mehrere Büros, welche auf virtuelle Assistentinnen spezialisiert sind. Auch in KMUs wird es immer beliebter. Aus meiner Sicht können virtuelle Assistentinnen, die nur auf Hotels spezialisiert sind, auf effiziente Art und Weise die Dienstleistungen verbessern. Wenn man nur eine Branche betreut, weiss man auch, welche Probleme in der Branche existieren und diese können besser gelöst werden. Ansonsten gibt es viele Plattformen, die solche Dienstleistungen anbieten. In Deutschland kann man virtuelle Assistenten ab zehn Euro pro Stunde mieten. Aber wir garantieren, dass unsere Leute eine Schweizer Hotelausbildung haben. Auch die sprachlichen Kompetenzen sind bei uns gegeben, was bei den anderen nicht so ist.
Wie ist das Feedback der Hotels bis jetzt?
Wir haben bis jetzt ein sehr gutes Feedback. Als Hotelmanager ist man immer sehr beschäftigt und ihr Beruf wird immer strenger, vielfältiger und herausfordernder. Es wird auch immer schwieriger, Personal zu finden. Die Leute haben ihre Einstellung gegenüber der Arbeit geändert. Sie wollen weder lange Zeit am selben Ort sein, noch in den Bergdestinationen bleiben. Für die Hoteliers ist das ein schwieriger Prozess, wenn es darum geht, neues Personal zu suchen und einzustellen. Mit virtuellen Assistenten kann man garantieren, dass man länger dieselbe Mitarbeiterin hat. Uns laufen die Leute weniger schnell davon. Sie lernen das Unternehmen gut kennen und da sie «remote», also virtuell arbeiten, sind sie verpflichtet, ihre Arbeiten zu protokollieren. Bei uns ist die Protokollvorschrift sehr streng. Das ist wiederum ein Vorteil, falls eine neue Mitarbeiterin kommt. Die Neuen arbeiten sich mit Hilfe der Protokolle der Vorgängerin ein und so wird der Erfahrungsverlust vermieden. Der Hotelier hat ebenfalls Zugriff auf diese Protokolle.
Was sind die Vorteile von Reception Remote im Gegensatz zu virtuellen Rezeptionisten (Robotern), wie sie zum Beispiel häufig in Japan eingesetzt werden?
Der Europäer ist jemand, der den Menschen noch schätzt. Ich habe das Gefühl man merkt, ob ein eMail von einem Roboter oder von einer echten Person verfasst wird. Zudem können wir auch individueller auf die Hotels eingehen und sind am Ende des Tages günstiger in der Preisstruktur. Roboter oder AI (Artificial Intelligence) sind sehr teuer. Wir führen einmal das «OnBoarding» durch und anschliessend zahlt der Kunde einen Preis pro geleistete Arbeitsminute. Effizienz wird von uns garantiert. Wir basieren uns auf Messungen, wie viel Zeit das Verfassen eines Emails beansprucht bzw. wie viele Emails pro Stunde geschrieben werden können.
Wir haben zusätzlich eine Kooperation mit «onStay». OnStay ist ein Check-in Automat, welchen man im Hotel platzieren kann. Dabei muss man unterscheiden, ob es sich um ein Ferienhotel oder ein Stadthotel handelt. Ich würde nicht unbedingt in einem Ferienhotel einen Automaten installieren. Wir haben viele Anfragen von Hotels, welche in der Stadt OnStay planen und kein Personal mehr haben. Diese Hotels werden «Reception Remote» und «OnStay», sowie zusätzlich «Housekeeper» vor Ort einsetzen.
Wie geht es mit dem Projekt weiter? Kannst du dir vorstellen, dass «Reception Remote» eines Tages ein selbstständiges Unternehmen wird?
Die Idee ist es, dass wir im Verlauf des nächsten Jahres «Reception Remote» in eine AG umwandeln. Falls das klappt, können wir die Dienstleistung ausweiten, ganze Gebäude extern verwalten und im Wallis allenfalls einen Teil des Problems der Nachfolgeregelung bei den Hotels lösen. Das ist aus meiner Sicht eines der grössten Probleme, welches wir momentan in den Alpen haben. Sobald die AG gegründet ist, wird das Nachfolgeproblem in Angriff genommen. Diese Hotels werden dann «auf virtuell» umgestellt und eine andere Zielgruppe ansprechen. Aber wir werden im Wallis weniger leere Häuser haben. Zudem sind wir immer auch bemüht, andere bzw. neue Modelle für die Hotellerie zu schaffen.
Fabienne Jeanneret, Gründerin von Reception Remote