Halal-Tourismus: Eine Chance für den Schweizer Markt?
Blog aus der Serie « Zurück zur Normalität… Verstand und Besonnenheit… »
Halalbooking.com
In den letzten Jahren ist der Halal-Tourismus weltweit auf dem Vormarsch. Eine bemerkenswerte Entwicklung ist dabei das Aufkommen von Online-Buchungsplattformen wie Halalbooking.com, die sich speziell an Menschen muslimischen Glaubens richten. Halalbooking.com bietet Unterkünfte, Reiseziele und Aktivitäten, die die Werte der Scharia respektieren. Die Scharia ist ein Wertesystem, das verschiedene lehrmässige, soziale und kulturelle Normen und Regeln im Islam darstellt. So bietet es muslimischen Touristen die Möglichkeit, ein Gebets-«Kit» inklusive Gebetsteppich zu erhalten, welches auch einen Koran und einen Kompass enthält. Einige Betriebe verbieten Alkohol und bieten Halal-Essen an. Andere bieten Badebereiche, die Frauen oder Männern vorbehalten sind, sei es in Spas, Schwimmbädern oder am Strand.
Der Versuch, genau zu bestimmen, was der Halal-Tourist will, bleibt jedoch ein schwieriges Unterfangen, da die Auslegung der Scharia von einer muslimischen Kultur zur anderen sehr unterschiedlich ist. In der Tat sind Gesellschaften mit einer muslimischen Tradition sehr vielfältig. Es gibt hier nichts Monolithisches, ausser dem Etikett «Muslim» am Touristen. Dennoch gibt es einige «Must-Haves», an denen sich touristische Anbieter orientieren können. So ist es zum Beispiel ein Muss, seinen Kunden eine Gebetsmöglichkeit zu bieten und ein Catering anzubieten, das der Halal-Philosophie entspricht.
Muslimfreundliche» Unterkunft
Viele Länder haben sich bereits für den Halal-Tourismus entschieden, um die Chance nicht zu verpassen, diese kaufkräftige Klientel zu erreichen. Laut crescentrating.com machte der touristische Konsum muslimischer Besucher 12.3 Prozent der weltweiten Tourismusausgaben im Jahr 2019 aus, dabei wurden insgesamt 283 Milliarden US-Dollar ausgegeben. Die Türkei hat eine engagierte Politik zur Unterstützung dieser Art von Tourismus ins Leben gerufen. Allerdings fehlen Studien über die Wahrnehmungen westlicher Touristen in Bezug auf diese Art von Tourismus, wie eine im Journal of Islamic Marketing veröffentlichte Studie aufzeigt. Inwieweit nicht-muslimische Touristen tatsächlich bereit sind, bestimmte Arten von Halal-Produkten und -Dienstleistungen von der Tourismusindustrie zu kaufen? Antworten auf diese Frage sind für muslimische Reiseziele wie Indonesien oder die Türkei interessant, die nicht-muslimische Touristen in ihre Hotels locken wollen. Denn die Idee, dass «muslimfreundliche» Hotels auch nicht-muslimische Gäste anziehen können, beginnt sich durchzusetzen. In diesen Ländern zieht diese Art von Einrichtungen bereits viele nicht praktizierende Familien an, weil sie Ruhe und einen garantiert hochwertigen Service in einer luxuriösen Atmosphäre bieten. Die Aufmerksamkeit, die den Gästen entgegengebracht wird, ist das Markenzeichen dieser High-End-Unterkünfte. Vielleicht könnten Halal-Lebensmittel bestimmte Segmente der westlichen Kundschaft ansprechen, auch wenn der aktuelle politische Kontext eher negative Wahrnehmungen seitens der Nicht-Muslime begünstigt. Und das ist nicht die einzige Barriere, die es zu überwinden gilt, angesichts der Vorurteile und Vorverständnisse, die zwischen der westlichen und der muslimischen Kultur herrschen.
Tourismus: « Eine Frage der Anpassung »
Doch im Tourismus geht es um Anpassung, erklärt Marco von Euw, ein Hotelbesitzer in Interlaken, in einem Bericht über islamischen Tourismus, den die Zeitung Le Temps 2017 veröffentlichte. Interlaken ist das beliebteste Reiseziel in der Schweiz für Touristen aus dem Nahen Osten (14% der Aufenthalte). Und die Zahlen aus der Zeit vor der Pandemie erinnern an das Interesse dieses Marktes: 2016 belegte der Berner Kurort den ersten Platz in Bezug auf die Übernachtungen aus den Golfstaaten (124’000) in Genf. In der Schweiz bringt der Tourismus aus den Golfstaaten 413 Millionen Franken ein, ein Viertel davon allein in der Region Interlaken! Das gibt zu denken, wenn es darum geht, die Schweizer Tourismusmaschine in der Post-Pandemie-Ära neu zu starten.
Referenzen
Athmani J. (2017). Interlaken, la nouvelle Mecque du tourisme islamique ; Le Temps. https://www.letemps.ch/grand-format/tourisme-islamique
Battour, M., Hakimian, F., Ismail, M. and Boğan, E. (2018), "The perception of non-Muslim tourists towards halal tourism: Evidence from Turkey and Malaysia", Journal of Islamic Marketing, Vol. 9 No. 4, pp. 823-840. https://doi.org/10.1108/JIMA-07-2017-0072
Boğan, E. and Sarıışık, M. (2019), "Halal tourism: conceptual and practical challenges", Journal of Islamic Marketing, Vol. 10 No. 1, pp. 87-96. https://doi.org/10.1108/JIMA-06-2017-0066
Jellypages.com (2019) Switzerland is the Top destination for Muslims. (2019) https://www.jellypages.com/business/Switzerland-is-the-Top-destination-for-Muslims-h83776.html
Junaidi, J. (2020). Halal-friendly tourism and factors influencing halal tourism. Management Science Letters, 10(8), 1755-1762.
Reportages et investigations (2020). Le tourisme Halal - Business et religion - Documentaire complet HD [Video file]. https://youtu.be/MVVoMdaitz8
Ce blog a été rédigé sur la base du travail de Marie Jacquier, étudiante en tourisme à la HES-SO Valais-Wallis, Suisse.
Titelfoto: Pixabay, Gerd Attman