Lohngerechtigkeit - Ein Hebel für Veränderungen im Tourismus.
Artikel geschrieben von Jie Yu Kerguignas, Assistenzprofessor, EHL Hospitality Business School
2022 war ein historisches Jahr in Sachen Lohngleichheit, als Stacey Macken, Bankerin bei BNP Paribas in London, einen beeindruckenden Sieg gegen die französische Bank errang und 2 Millionen Pfund gewann. Dieser beispielhafte Fall warf ein Schlaglicht auf die tief verwurzelte Lohndiskriminierung und rief die großen Unternehmen dringend dazu auf, sich ihrer Verantwortung zu stellen. Es ist an der Zeit, dass diese Unternehmen eine unbestreitbare Wahrheit akzeptieren: Die Akzeptanz ungerechtfertigter Lohnunterschiede und unverhältnismäßiger Bonuszahlungen zugunsten von Männern gehört der Vergangenheit an. Die immer noch bestehende Diskriminierung muss ein Ende haben.
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Und wie sieht es im Hotel- und Gaststättengewerbe aus? Laut dem Bericht „Women in Hospitality, Travel and Leisure 2020“ sind nur 25% der Führungspositionen mit Frauen besetzt. Diese Statistik unterstreicht die Dringlichkeit von Veränderungen und die Bedeutung von Initiativen zur Gleichstellung der Geschlechter im Hotelgewerbe. Lohngleichheit spielt eine entscheidende Rolle bei der Lösung dieses drängenden Problems. Sie fördert nicht nur Gerechtigkeit und Gleichheit, sondern trägt auch zu einem besseren Management der sozialen Verantwortung der Unternehmen (CSR) bei.
Stiftung EQUAL-SALARY
Um die Bedeutung dieses Themas zu beleuchten und Wege aufzuzeigen, wie alle daran teilhaben können, führte Jie Yu Kerguignas, Assistenzprofessor an der EHL Hospitality Business School, ausführliche Interviews mit führenden Experten auf diesem Gebiet: Lisa Rubli, Alumna der EHL Hospitality Business School und Co-Direktorin der Stiftung EQUAL-SALARY, sowie ihr Kollege Aurélien Joly.
Die Stiftung EQUAL-SALARY mit Sitz in Vevey, Schweiz, setzt sich für Lohngleichheit und Chancengleichheit in der Arbeitswelt ein. In Zusammenarbeit mit der Universität Genf hat sie ein strenges und wissenschaftliches Zertifizierungssystem entwickelt, vergleichbar mit einer ISO-Norm speziell für Löhne und Chancen in der Unternehmenswelt. In enger Zusammenarbeit mit international renommierten Partnern und Wirtschaftsprüfern wie SGS, PwC und Mazars zählt die Stiftung heute weltweit über 130 zertifizierte Unternehmen mit mehr als einer halben Million Mitarbeitenden. Für die Stiftung ist die Lohngleichheit ein grundlegendes Menschenrecht, und sie setzt sich aktiv für die Verringerung dieses Ungleichgewichts ein, indem sie die Zertifizierung als praktisches, pragmatisches und wirksames Instrument in diesem Kampf einsetzt.
Warum Lohngleichheit verteidigen?
Wie Lisa Rubli erklärt, sind gleiches Entgelt und gleiche Chancen ein Grundrecht. Dennoch ist diese Realität noch lange nicht erreicht. Daten des Bundesamtes für Statistik zeigen, dass in der Schweiz eine Lohndifferenz von 18% besteht, wovon 45,3% nicht durch objektive Kriterien wie hierarchische Position, Ausbildung oder Erfahrung gerechtfertigt werden können. Dies entspricht einem geschlechtsspezifischen Lohnunterschied von 8,6%, was bedeutet, dass eine Frau für die gleiche Arbeit und den gleichen Lohn immer noch 717 Franken weniger verdient als ein Mann, nur weil sie eine Frau ist. Damit liegt die Schweiz bei der Lohnungleichheit zwischen Männern und Frauen im europäischen Vergleich an 26 Stelle. Gemäss der Internationalen Arbeitsorganisation beträgt dieser Unterschied weltweit rund 20%. Der Weg ist noch lang und steinig, aber es ist wichtig, einen Beitrag zu leisten, damit alle gleich und gerecht behandelt werden.
Wie kann man das Anliegen von Lohngleichheit unterstützen?
Aus individueller und gesellschaftlicher Sicht betont Aurélien Joly, dass die Lohngleichheit den Frauen finanzielle Unabhängigkeit verschafft, was zu mehr Entscheidungsmacht in der Familie führt und dazu beiträgt, die Prekarität am Ende der Karriere zu vermeiden. Auf Unternehmensebene ermöglicht die Lohngleichheit den Abbau von Vorurteilen und Stereotypen über die Rolle der Frau in der Arbeitswelt, was zu einem Klima des Vertrauens und der Transparenz führt. Darüber hinaus verbessert sie den Ruf des Unternehmens und fördert die Beschäftigungsfähigkeit, was sich positiv auf die Bindung und Gewinnung von Talenten auswirkt. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass Unternehmen mit Lohngleichheit eine bessere Leistung, mehr Innovation und eine gesündere Unternehmenskultur aufweisen.
Soziale Verantwortung der Unternehmen (CSR)
Im Rahmen der sozialen Verantwortung der Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) konzentriert sich die Stiftung EQUAL-SALARY auf den sozialen Aspekt der Lohngleichheit, der als Grundlage für die Entwicklung anderer CSR-Initiativen dient.
Lisa Rubli betont, dass sich die Stiftung hauptsächlich auf geschlechtsspezifische Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen konzentriert, erkennt aber an, dass es viele andere Faktoren gibt, die zu Ungleichheiten und Diskriminierungen am Arbeitsplatz beitragen, wie z.B. ethnische Identität oder Geschlechtsidentität. Daher ist es wichtig, eine breitere Perspektive einzunehmen, die viele Elemente berücksichtigt, die zu bewussten und unbewussten Vorurteilen während der gesamten beruflichen Laufbahn einer Person beitragen. Auditierung und Zertifizierung erfordern von den Unternehmen die Fähigkeit zur transparenten Selbstbewertung, was oft schwierig ist. Denn viele Unternehmen erhalten für diesen Prozess nicht die Unterstützung ihres Managements. Oder, weniger tugendhaft, einige Unternehmen versuchen, ihr Image in Bezug auf Gleichstellung zu verbessern, ohne dass dies nachprüfbar ist. Das Phänomen des "Pinkwashing" bleibt eine große Herausforderung.
Lohngleichheit als Antwort auf die Talentknappheit
Abschließend weist Lisa Rubli darauf hin, dass die Sensibilisierung für Lohngleichheit und Chancengleichheit sowie entsprechende Maßnahmen mehr als nur eine moralische Notwendigkeit sind, insbesondere für den Hotelsektor. Sie stellen eine wesentliche Strategie dar, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen. Die Umsetzung von fairen und gerechten Praktiken, wie sie von der Stiftung EQUAL-SALARY gefördert werden, könnte nicht nur die Bindung und Anwerbung von Talenten verbessern, sondern auch wirksam auf die Herausforderungen reagieren, die in einer Studie der HES-SO Valais-Wallis „Arbeitskräftemangel im Gastgewerbe: Wahrnehmung des Berufs durch Studierende im Wallis“ aufgezeigt wurden. Die Anerkennung und Wertschätzung der Arbeit jedes Einzelnen bietet den Mitarbeitenden klare Entwicklungsperspektiven und trägt so zu ihrem Wohlbefinden bei. Diese Massnahmen können die aktuellen Herausforderungen in Chancen für die Zukunft verwandeln.
Für eine widerstandsfähigere und wettbewerbsfähigere Industrie ist es daher unerlässlich, die Lohngleichheit in die Strategien zur Entwicklung der Humanressourcen zu integrieren. Indem sie sich auf diesen Weg begeben, können Tourismusfachleute nicht nur ihr Markenimage verbessern, sondern auch ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem sich jeder wertgeschätzt und fair entlohnt fühlt. Dies wäre ein wichtiger Beitrag zum Aufbau eines attraktiveren Hotel- und Gaststättengewerbes, in dem Fairness die Grundlage einer innovativen und integrativen Unternehmenskultur bildet. Diese Elemente sind besonders wichtig für die jüngere Generation, die in den Arbeitsmarkt eintritt oder bereits dort tätig ist.
Nützliche Links:
Um die Aktionen der Stiftung EQUAL-SALARY zu unterstützen oder den Prozess für mehr Lohngleichheit in Ihrem Unternehmen einzuleiten, besuchen Sie die Website https://www.equalsalary.org/
Logib Lohnsystem des Bundes: https://www.ebg.admin.ch/de/news-logib-lohnsystem