Rückkehr zur Natur und Suche nach Sinn

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Dies ist der erste Teil unserer Miniserie "Bauern und Restaurants: Brüder im Kampf?".

Die Begeisterung für bäuerliche Berufe und was dahinter steckt: Wieder mit der Natur und gutem Essen in Berührung kommen. 

Wer auf eine Weise anbaut, die dem Leben mehr Respekt entgegenbringt, entscheidet sich für eine Wirtschaft, die erneut Arbeitsplätze schafft. Das Shift Project schätzt, dass der Übergang zu einer kohlenstoffarmen Landwirtschaft bis 2050 zu einem Anstieg der Beschäftigung um 500.000 Arbeitsplätze führen würde. Der Verlust (aufgrund der Verlagerung, des geringeren Einsatzes von Hilfsmitteln und des Rückgangs des Handels) würde mit 80'000 Arbeitsplätzen den kleinsten Teil der wirtschaftlichen Gleichung ausmachen. 

Dennoch ist man in der Landwirtschaft besorgt über die in den Ruhestand gehenden Landwirte. In der Schweiz finden jedes Jahr 500 landwirtschaftliche Betriebe keinen Nachfolger (remisedeferme.ch). Die Gewerkschaften der Landwirte freuen sich über junge Interessenten, stellen sich aber gleichzeitig die Frage, ob der Generationswechsel in der Landwirtschaft gelingen kann: Ist das Ziel, bis 2024 200 Betriebsübernehmer(1) zu finden, realistisch? Nicht zuletzt, da die gewährten Zuschüsse in die Vergrösserung der Betriebe und nicht in die Niederlassung von jungen Menschen fliessen (Pointssot, 2024). Und das ist der springende Punkt: Die Politik unterstützt noch immer ein Modell, von dem sich die heranwachsenden Generationen abwenden, da diese eher zu kleinen Flächen tendieren. In der Schweiz ist die durchschnittliche Betriebsfläche in den letzten 20 Jahren um mehr als 30 % gestiegen"(2), während die Direktzahlungen alle 20 Hektar um 20 % gekürzt werden, sobald die 60-Hektar-Schwelle überschritten wird. 

Blaise Hofmann meint: "In der Stadt versteht man heute, dass die Agrarpolitik nicht etwas Abstraktes ist, das in den Kammern der Hauptstadt ausgearbeitet wird: Sie bestimmt unsere Landschaften und unsere Ernährung, das, was wir unseren Kindern dreimal am Tag servieren". Trotz der Hindernisse, die sich ihnen in den Weg stellten, gibt es Quereinsteiger(3), die einen Bauernhof übernehmen, um auf dem Land bodenschonende Lebensmittel zu produzieren. Ihre Motivation klingt wie eine Selbstverständlichkeit: "Ich will sehen, wie meine Arbeit Früchte trägt, ich will auf lokaler Ebene etwas bewegen... Ich will auch, dass meine Kinder den Beruf ihres Vaters erklären können"(4), sagt ein Jungbauer. 

Ein schwieriger Weg zur Niederlassung, der gegenseitige Hilfe erfordert

Organisationen wie "Terres de Liens" unterstützen Projekte, die sich als Alternative zum Individualismus des Eigentums positionieren. Gegen Pacht(5) kauft diese Kommanditgesellschaft auf Aktien in Frankreich mit Bürgerspareinlagen Agrarland auf und ermöglicht die Niederlassung von Kandidaten, die ohne diese Vermittlung keine Chance gehabt hätten. In der Schweiz können Stiftungen wie "Lebendige Höfe" oder "Le Lombric" ebenfalls Land kaufen, um dort umweltgerechte Agrarprojekte anzusiedeln. Land ist nämlich oft ein Stolperstein für Menschen, die sich als Bauern niederlassen wollen, weil es zu teuer oder nicht verfügbar ist. In Frankreich sind die Bodenpreise in den letzten 25 Jahren um ein Drittel gestiegen, und der Preisanstieg beschleunigt sich aufgrund der Entwicklung von Biogas-, Photovoltaik- und Windkraftanlagen auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Was ist die Folge? Dies verleitet niedergelassene Eigentümer dazu, ihre Flächen eher an Energieunternehmen zu verpachten als an junge Menschen, die in den landwirtschaftlichen Beruf einsteigen. 

Die Hebelwirkung von Organisationen, die sich für die Umverteilung von Land an Bauern einsetzen, ermöglicht die Niederlassung von Kandidaten, die "von der Notwendigkeit beseelt sind, die Werte, die sie vertreten, mit gutem Beispiel voranzutreiben"(6). Zu diesen Werten gehören Autonomie und das Teilen. Das Recht auf Landnutzung bezieht sich in diesem Fall auf den Begriff der "Allmende", der heute durch die Herausforderungen des Klimawandels neu belebt wird. Land und damit einhergehende Entscheidungen zu teilen(7) bedeutet, das Gleichgewicht der Kräfte zu optimieren und die Biodiversität zu erhalten. Tanguy Martin ist der Meinung, dass "[d]ie Idee der Allmenden heute einer der am meisten diskutierten und am stärksten vertretenen Wege ist, um den landwirtschaftlichen Grundbesitz aus dem Kapitalismus herauszulösen"(8). Die Landwirtschaft steht an der Schnittstelle von Ernährung und Umwelt und damit im Zentrum der heutigen gesellschaftlichen Probleme. Um den Übergang zu schaffen und sich zu Bewahrern der Böden zu machen, sind die Agrarökologie oder die Agroforstwirtschaft (siehe Schema unten) Produktionsmodelle, die von dieser Generation von Landarbeitern tendenziell sehr befürwortet werden.

 

Flore Schärrer, ETH Zürich, Vorsitzende von Beeing Alive

 

 

Fussnoten:

(1). Die Kleinbauernvereinigung hat sich zum Ziel gesetzt, den Zugang zu Land, die Vielfalt der Strukturen und den Generationenwechsel in der Landwirtschaft zu fördern. Die Plattform https://www.hofuebergabe.ch/ soll dazu beitragen, das Ziel von 200 unterstützten Niederlassungen im Jahr 2024 zu erreichen.

(2). Quelle: https://www.petitspaysans.ch/dossier/changement_structurel/

(3). Sie kommen nicht aus dem Stand und befinden sich häufig in einer beruflichen Neuorientierung. Ihre Zahl steigt stetig an. Sie machen 25 % der neu Niedergelassenen aus. Quelle: Qui va nous nourrir?, A. Poinssot, Solin/Actes Sud, 2024, S. 54. 

(4). Ibid, S. 112.

(5).  Die Landwirte müssen sich ausserdem verpflichten, biologische Anbaumethoden anzuwenden und die agrarökologischen Elemente auf ihren Höfen zu erhalten (Hecken, Bäume, Teiche, Mauern usw.). 

(6). Qui va nous nourrir ? A. Poinssot, Solin/Actes Sud,2024, S.76.

(7). Kollektives Management und horizontale Entscheidungsfindung sind Prinzipien, die sich durch viele Projekte zur Einrichtung eines agrarökologischen Bauernhofs ziehen.

(8). Tanguy Martin, Cultiver les communs. Une sortie du capitalisme par la terre, Editions Syllepse, 2023, S. 57.

 

Dieser Beitrag basiert auf den Publikationen Qui va nous nourrir ? Au cœur de l'urgence écologique, le renouveau paysan, Amélie Poinssot, Solin/Actes Sud, 2024; Cultiver les communs. Une sortie du capitalisme par la terre, Tanguy Martin, Syllepse; Faire Paysan, Blaise Hofmann, Edition Zoe, 2023; Qui veille au grain? Du consensus scientifique à l'action publique, Les Greniers d'Abondance, 2022; Vers la résilience alimentaire. Faire face aux menaces globales à l'échelle des territoires, Les Greniers d'Abondance, 2020; La terre à celleux qui la cultivent! Accès collectif à la terre en Suisse, Bern, 2023.

 

 

Für weitere Informationen:

  • Ein Podcast von "Présages", der die Schwächen und Verwundbarkeiten unserer Nahrungsmittelsysteme aufzeigt. Mit Arnaud Vens von "Greniers d'abondance": https://podcasters.spotify.com/pod/show/presages/episodes/Le-systme-alimentaire-franais-en-pril---Arnaud-Vens--Les-Greniers-dabondance-e205tci/a-a9ffdnf
  • Ein aufschlussreicher Podcast über die Notwendigkeit, die Ausbildung und Arbeit an die Gesundheitsbedürfnisse von Landwirten und Landarbeitern anzupassen: https://www.radiofrance.fr/franceculture/podcasts/le-reportage-de-la-redaction/ce-que-l-agroecologie-fait-au-travail-agricole-soit-j-arretais-tout-soit-je-continuais-en-bio-7587918
  • Ein populärwissenschaftliches Video in deutscher Sprache, das die Kommerzialisierung von Land in der Schweiz anprangert. Das Video wurde von der Kleinbauernvereinigung produziert: https://youtu.be/V6PX05UTeE0?si=Knz1wbST0el0CdYD
  • Ein von ARTE produzierter Dokumentarfilm. Er berichtet über unsere Abhängigkeit vom Import von Lebensmitteln und vom Fleischkonsum: https://www.arte.tv/de/videos/086137-000-A/anders-essen-das-experiment/
  • Ein Artikel des Schriftstellers Blaise Hofmann, Autor des Buches "Faire paysan": https://www.heidi.news/explorations/qui-nourrira-la-suisse-demain/j-avais-mal-a-ma-paysannerie-comment-reconcilier-la-fourche-et-la-fourchette
  • Ein Podcast der Europäischen Kommission mit Wolfgang Burtscher, Generaldirektor der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung (GD AGRI), Clara Bourgin, Aktivistin bei der Umweltorganisation "Friends of the Earth", und Matteo Pagliarani, einem Landwirt und Vizepräsident des "European Council of Young Farmers": https://soundcloud.com/foodforeurope/44-comment-reconcilier-agriculture-et-environnement