Nachhaltigkeitsreporting kritisch betrachtet

Seit rund zwanzig Jahren setzen sich Experten aus der akademischen Welt, Nichtregierungs-Organisationen und Berater für Nachhaltigkeit ein. Ein Teil von ihnen tut dies in der Überzeugung, dass das Erreichen ökologisch und sozial verantwortlicher Ziele das wirtschaftliche Wohlergehen eines Unternehmens lenken kann. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung dokumentiert die Anstrengungen, die unternommen werden, um diese Ziele zu erreichen. Daher kommt dieser Berichterstattung eine strategische Bedeutung zu, die sich insbesondere im Erfolg der Global Reporting Initiative (GRI) widerspiegelt. Die Zahl der Unternehmen, die auf ihrer Grundlage über ihre gesellschaftlichen Beiträge berichten, ist in den letzten zwei Jahrzehnten um das Hundertfache gestiegen.

Ein kurzer Blick auf die globale Situation zeigt jedoch auf, dass die Auswirkungen der Berichterstattung überschätzt wurden. In demselben Zeitraum von 20 Jahren, in dem die Berichterstattung über die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen (Corporate Social Responsibility, CSR) und nachhaltige Investitionen zugenommen haben, sind die Kohlenstoffemissionen weiter gestiegen, die Umweltschäden haben sich beschleunigt und die sozialen Ungleichheiten haben sich verschärft. Es gibt also keine positive Korrelation zwischen der Erstellung von CSR-Berichten und der Gesundheit unseres Planeten.

Die Messungen sind oft nicht standardisiert, unvollständig und ungenau. Und Projektmeilensteine sind nicht mehr als fantasievolles «Greenwishing» (wie es Duncan Austin, ein ehemaliger ESG-Investmentmanager, ausdrückte). Manche argumentieren, dass die Bemühungen um die Berichterstattung ein Hindernis für den Fortschritt darstellen: Durch Überbewertung der Bedeutung der Unternehmensgewinne und die Ablenkung von der tatsächlichen Notwendigkeit, die Denkweise und die Vorschriften zu ändern, sei die Berichterstattung zum Selbstzweck geworden. Dabei wären die pädagogischen Vorteile offensichtlich. Kennzahlensysteme und die Berichterstattung erleichtern die Aneignung von Wissen. Was ist dabei also problematisch?

In erster Linie erschweren folgende Faktoren eine authentische Messung: Fehlende Audits durch autorisierte Dritte, spekulative Ziele ohne wissenschaftliche Grundlage, undurchsichtige Lieferketten, die Komplexität der Erfassung von Emissionen, die durch Lieferanten und Händler, Geschäftsreisen der Mitarbeiter und die Nutzung der verkauften Produkte und Dienstleistungen verursacht werden. Letzteres ist nicht zuletzt darauf zurückzuführen, dass nicht einmal jedes zweite Unternehmen, das einen CSR-Bericht erstellt, diese versteckten Emissionen aufspürt, obwohl in diesen Gliedern der Kette häufig der grösste Teil der Emissionen anfällt. Ein weiterer Stolperstein ist die mangelnde Vergleichbarkeit der Daten. Dieses Problem ist zwar bekannt, bleibt aber dennoch ein wichtiger Faktor. Da die Unternehmen auf der Grundlage verschiedener Kriterien berichten, ist die Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den Unternehmen nicht vorhanden. Diese Entsprechung ist nicht einmal über eine bestimmte Zeitreihe für ein und dasselbe Unternehmen gegeben, da sich die Methodik oder die Messstandards von einem Jahr zum anderen ändern.

Abgesehen von diesen wesentlichen Kritikpunkten sollte man aber berücksichtigen, dass Nachhaltigkeitsindikatoren den Entscheidungsprozess einer Destination Management Organization (DMO), die ihre Massnahmen an die Nachhaltigkeit des Reiseziels anpassen möchte, positiv beeinflussen. Schliesslich tröstet man sich angesichts der aufgezeigten Schwierigkeiten mit dem Hinweis auf den von der Europäischen Kommission ausgehenden Willen zur Harmonisierung dieser Prozesse, da diese ein Forschungsteam mit der Erstellung eines Impulspapiers beauftragt hat, das über die künftigen Massnahmen der Kommission zur Förderung von Methoden zur Messung der Nachhaltigkeit von Reisezielen informieren soll. Der französische Verband Acteurs du Tourisme Durable (ATD) wollte nicht auf diese Empfehlungen warten, da er bereits im Sommer 2021 einen kostenlosen methodischen Leitfaden zu den Indikatoren für ein nachhaltiges Reiseziel veröffentlicht hat. In der Schweiz bietet das Handbuch «Nachhaltige Entwicklung in Schweizer Tourismusdestinationen» eine aktuelle und umfassende Orientierungshilfe. Über den reinen Tourismussektor hinaus verweisen wir auch auf die Arbeit des International Sustainability Standards Board (ISSB), das auf der COP26 ins Leben gerufen wurde, um eine umfassende globale Referenzbasis für Nachhaltigkeitsinformationen für die Finanzmärkte zu entwickeln. Die Lieferbarkeit ist für Ende 2022 angekündigt.

Vielleicht muss man sich auch fragen, welche Gefahren es birgt, wenn man zu viele bezifferbare Standards festlegt. Die wichtigste Funktion von Standards ist es natürlich, das öffentliche Wohl und den sozialen Zusammenhalt zu gewährleisten. Sie mindern die unmittelbar schädlichen Auswirkungen von zerstörerischen Verhaltensweisen. Aber in einer Welt, in der Effizienz noch immer dem Nutzen vorgezogen wird, kommt dies der Einführung einer Lizenz zum Zerstören durch die Einführung von Akzeptanzschwellen gleich. Wir dürfen uns nicht mehr damit zufriedengeben, weniger schlecht zu sein, wenn die Dinge, so wie sie sind, nicht mehr tolerierbar sind.

Dieser Beitrag basiert auf den Artikeln «Das zweite Leben der CO2-Bilanz», «Die CO2-Bilanz, ein irreführender Massstab», «Warum CO2-Bilanzen unsicher sind – und wie man sie verbessern kann», «Schweizer KMUs müssen künftig Nachhaltigkeits-Berichte liefern», «Overselling Sustainability Reporting» und dem Buch «Cradle to Cradle. Créer et recycler à l'infini» von Éditions Gallimard, 2011.