Bedeutung von Naturpärken für den Tourismus – Chancen fürs Wallis?
Randonnee TourismeQuatreSaisons DestinationSeit 2008 entstehen in der Schweiz auf der Grundlage des Natur- und Heimatschutzgesetzes neue Pärke. In der Zwischenzeit gibt es schweizweit 16 Pärke mit dem Label „Park von nationaler Bedeutung“ (Stand Januar 2013). Diese gehören einer der drei Parkkategorien (Nationalpark, regionaler Naturpark und Naturerlebnispark) an. Hierbei ist der Anteil der regionalen Naturpärke bei weitem der grösste: 14 der 16 in der Schweiz anerkannten Pärke sind Naturpärke. Bei einem regionalen Naturpark geht es nämlich nicht nur um den Erhalt der Qualität von Natur und Landschaft, sondern auch um die Stärkung einer nachhaltig betriebenen Wirtschaft. Um den Status eines Parks von nationaler Bedeutung zu erlangen, muss das entsprechende Gebiet über hohe natürliche und landschaftliche Werte verfügen. Eine weitere wichtige Voraussetzung ist die Unterstützung des Projekts von Seiten der lokalen Behörden und insbesondere der Bevölkerung.
Simplonregion, dritter Walliser Naturpark?
Mit den Naturpärken Binntal und Pfyn-Finges verfügt das Wallis bereits über zwei Pärke mit dem Label „Naturpark von nationaler Bedeutung“. Ihrem Beispiel will nun auch die Simplonregion folgen. Zu diesem Zweck gründeten die Vertreter der Standortgemeinden Brig-Glis, Mörel-Filet, Ried-Brig, Simplon und Termen im Dezember letzten Jahres einen Trägerverein.
Im Rahmen der Vorarbeiten für dieses Projekt wurde eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben, welche zum Schluss kam, dass die Region Simplon insbesondere aufgrund ihrer wertvollen Landschaft, der historischen Gebäude, Wege und Passübergänge über gute Voraussetzungen für die Errichtung eines Naturparks verfügt. Die durch den zukünftigen Naturpark erwirtschafteten Mehreinnahmen werden im Rahmen der Machbarkeitsstudie auf rund vier Millionen Franken pro Jahr geschätzt.
Wie bereits erwähnt, ist der Einbezug der lokalen Bevölkerung eine weitere Voraussetzung für die Errichtung eines Parks. Diese verbindet den Begriff „Naturpark“ jedoch oft mit Nutzungsbeschränkungen und Schutzbestimmungen. So steht beispielsweise die Gondoneser Bevölkerung dem Parkprojekt skeptisch gegenüber, da sie Einschränkungen in Bezug auf den Ausbau der Wasserkraft oder auch hinsichtlich der Armee befürchtet, welche wichtige Einnahmequellen für die Gemeinden auf der Simplonsüdseite darstellen. Das veranlasste die Bevölkerung der Gemeinde Gondo-Zwischbergen dazu, das Projekt an der Urversammlung einstimmig abzulehnen. Andreas Weissen, der Geschäftsführer der nationalen Dachorganisation der Schweizer Pärke (Netzwerk Schweizer Pärke), betonte in einem Interview mit der Rhonezeitung jedoch, dass „ein Naturpark keine Nutzungsbeschränkungen [bedeutet ]. Es wird kein neues Recht geschaffen. Fragestellungen in Bezug auf die Armee oder Windräder werden beispielweise durch einen Naturpark nicht geregelt.“ (Rhonezeitung (RZ), 13.12.2012)
Am 18. Januar 2013 reichte die Trägerschaft des Projekts das entsprechende Parkgesuch beim Bundesamt für Umwelt (BAFU) ein. Bis Ende August 2013 entscheidet der Bund darüber, ob die Region Simplon den Status eines Kandidaten erhalten wird. Fällt der Entscheid positiv aus, folgt eine rund dreijährige Aufbauphase, welche für die Einrichtung eines Parkmanagement, die Ausarbeitung einer Charta und die Initiierung erster Projekte genutzt wird. Die jährlichen Kosten für diese Errichtungsphase belaufen sich auf rund 1.2 Millionen Franken. Die Bevölkerung kommt voraussichtlich im Jahr 2015 wieder ins Spiel. Denn bevor der Bund endgültig über die Anerkennung des Simplongebiets als Naturpark entscheidet, muss jede Urversammlung der fünf Territorialgemeinden Simplon, Ried-Brig, Termen, Brig-Glis und Mörel-Filet dem Naturpark zustimmen.
Naturpark als Chance für eine Randregion
Ein Naturpark (bzw. ein Naturerlebnispark) kann für eine wirtschaftlich benachteiligte Randregion durchaus eine Chance bedeuten. Es ist sogar erklärte Absicht des Bundes, mit den neuen Pärken einen Beitrag an die nachhaltige Regionalentwicklung zu leisten (Pärkeverordnung Art. 21). Wertschöpfung entsteht beispielsweise durch den Vertrieb von regionalen Produkten oder touristischen Aktivitäten in Zusammenhang mit dem Park. Es kann nun zwischen direktem und indirektem Nutzen eines Naturparks unterschieden werden:
- Beim direkten Nutzen handelt es sich um eine durch die Pärke ausgelöste Wertschöpfung über den Markt und durch staatliche Transfers. Beispiele hierfür wären touristische Angebote und Übernachtungen, Exkursionen und Führungen, der Vertrieb regionaler Produkte aus Landwirtschaft und Gewerbe oder staatliche Beiträge an das Parkmanagement.
- Aus einem Park kann jedoch auch ein indirekter Nutzen gezogen werden, welcher nicht direkt messbar ist, jedoch positive Auswirkungen auf die Volks- und Regionalwirtschaft hat. Hierzu gehören beispielsweise der Erhalt und die Aufwertung der Landschaft oder die Stärkung der regionalen Identität, welche eine Motivation und Mobilisierung der Bevölkerung vor Ort zur Folge haben kann.
Wirtschaftlicher Nutzen von Pärken: Studienresultate aus der Schweiz, Österreich und Deutschland
Es ist jedoch nicht ganz einfach, den wirtschaftlichen Nutzen (Wertschöpfung) eines Parks zu messen. Eine Übersicht verschiedener aktuellen Studien aus dem In- und Ausland soll hier die Chancen und den Nutzen von Naturpärken aufzeigen.
1) Wertschöpfung des Schweizer Nationalparks
Küpfer (2000) konnte beispielsweise auf der Grundlage einer direkten Gästebefragung die wirtschaftlichen Effekte des Schweizerischen Nationalparktourismus im Engadin ermitteln. Sie kam zum Schluss, dass 120 Vollzeit-Arbeitsplätze direkt vom Nationalparktourismus abhängen. Diese sind hauptsächlich im Beherbergungssektor und im Gaststättengewerbe anzusiedeln. Bis zu 84 weitere Vollzeit-Arbeitsplätze in unterschiedlichen Wirtschaftszweigen sind auf sogenannten indirekte und induzierte regionalwirtschaftliche Effekte zurückzuführen. Der Schweizerische Nationalpark generiert somit eine jährliche regionale Wertschöpfung zwischen 8.8 bis 12.8 Mio. Schweizer Franken.
2) Ökonomische Analyse von regionalen Naturpark-Projekten im Kanton Bern
Die Untersuchungen von Siegrist, Aufdereggen, Lintzmayer & Spiess (2006) zeigten auf, dass „die relativen volkswirtschaftlichen Potenziale der regionalen Naturpark-Projekte im Kanton Bern – auf Grundlage der bestehenden Wirtschaftsstrukturen und je nach Szenario – eher gering sind.“ (Siegrist, 2008). Es konnte zwar nachgewiesen werden, dass die regionalen Naturpärke zusätzliche regionale Wertschöpfungseffekte auslösen, für die gesamte Volkswirtschaft des Kantons Bern sind jedoch andere wirtschaftliche Prozesse relevanter. Das wird voraussichtlich auch in Zukunft so bleiben. Die Naturpärke fungieren gemäss den Resultaten aus dieser Studie nicht als Motor für die ländliche Wirtschaft, können aber die Rolle eines Katalysators einnehmen. Ausserdem stellen sie ein ergänzendes touristisches Angebot dar. In der Studie wurden die drei bis vier zu jenem Zeitpunkt geplanten Parkprojekte berücksichtigt. Es wird mit einer zusätzlichen naturparkbedingten Wertschöpfung von 10 bis 38 Mio. Franken jährlich gerechnet. Davon fallen 6 bis 21 Mio. Franken direkt in den Projektgebieten an.
Die folgende Grafik veranschaulicht die aktuelle und die potenzielle – durch einen Naturpark induzierte - Wertschöpfung der Gebiete Chasseral, Diemtigtal, Emmental, Gantrisch, Oberaargau und Thun. In der Zwischenzeit haben die Regionen Chasseral, Gantrisch und Diemtigtal das Label eines Naturparks von nationaler Bedeutung erhalten.
3) Bedeutung der Naturpärke des Burgenlands (Österreich) für den Tourismus und die wirtschaftliche Entwicklung der Region
In der Studie von Wexlbaumer, Gamper & Gruber (2007) standen das Ausgabeverhalten und das Besucherprofil der Gäste der vier Naturpärke im österreichischen Burgenland im Zentrum. Die regionale Wertschöpfung wird insbesondere durch Übernachtungsgäste angekurbelt: mit 63 Euro pro Tag geben diese fast doppelt so viel aus wie die Tagesgäste, welche im Durchschnitt 33 Euro pro Tag ausgeben. Die Ausgaben der Naherholungssuchenden belaufen sich im Schnitt auf 19 Euro. Jeder Gast gibt durchschnittlich 31 Euro pro Tag (ohne Übernachtung) in den Burgenländischen Naturpärken aus. Mit 50% hat die Gastronomie den grössten Anteil an den vom Gast ausgegebenen Geldern. 33% der Ausgaben entfallen auf den Handel, 18% auf den Dienstleistungssektor. Was die Jahreszeiten betrifft, sind die Tagesausgaben pro Gast im Herbst am höchsten, gefolgt vom Frühling und dem Sommer.
4) Regionale Wertschöpfung von Naturpärken in Deutschland
Job, Harrer & Metzler (2005) untersuchten ausgewählte Grossschutzgebiete in Deutschland hinsichtlich ihres wirtschaftlichen Nutzens. Darunter fällt beispielsweise der Naturpark Altmühltal, für welchen eine regionale Wertschöpfung aus dem Naturparktourismus von jährlich 10.25 Mio. Euro ermittelt wurde. Die Tagesausgaben pro Gast belaufen sich auf durchschnittlich 23 Euro. Bei den Tagesgästen sind es 12 Euro, bei den Übernachtungsgästen 42 Euro. Auch im Naturpark Hoher Fläming konnten ähnliche Zahlen ermittelt werden: die Tagesausgaben pro Gast erreichen im Durchschnitt 21 Euro, wobei die Tagesgäste 15 Euro, die Übernachtungsgäste 48 Euro ausgeben. Die regionale Wertschöpfung ist im Naturpark Hoher Fläming mit 3.0 Mio. Euro jedoch vergleichsweise geringer.
Fazit zur Wertschöpfung von Naturpärken
Die Tabelle am Ende dieses Beitrags verdeutlicht, dass die Bandbreite bezüglich des Beitrags der Pärke an die regionale Wertschöpfung sehr gross ist. Berücksichtigt man die unten aufgeführten Untersuchungsgebiete, bewegt sich dieser zwischen jährlich ungefähr 123‘544 Euro (Natura 2000-Schutzgebiet Waldviertel) bis 13.5 Mio. Euro (Nationalpark Bayerischer Wald). Die direkte Wertschöpfung des naturnahen Tourismus in der Schweiz insgesamt wird auf ca. 1.9 Mia. Euro geschätzt. Je nach Region bzw. Regionstyp können diese Zahlen durchaus als sehr relevant eingeschätzt werden. Für strukturschwache Randgebiete mit wenigen wirtschaftlichen Alternativen kann diese - beispielsweise durch einen Naturpark - generierte Wertschöpfung ein nicht zu unterschätzendes Gewicht haben. Agglomerationsnahe Gebiet scheinen – wie das Beispiel der Berner Pärke zeigt – jedoch weniger davon zu profitieren. Positiv auf die Wertschöpfung eines Naturparks wirken sich insbesondere Gäste aus, welche einen mehrtägigen Aufenthalt inklusive Übernachtung in einem Park durchführen. Abschliessend kann festgehalten werden, dass die zusätzliche regionale Wertschöpfung von den allgemeinen Rahmenbedingungen, vom touristischen Typ und der touristischen Strategie des Parks, sowie von dessen Alleinstellungsmerkmalen abhängig ist.
Die Herausforderung für einen Naturpark besteht darin, Wertschöpfungsangebote zu schaffen, welche mit den landschaftlichen Zielen des Parks vereinbar sind. Diese Aufgabe, vor welcher nun auch das Naturparkprojekt Simplon steht, ist sicherlich nicht einfach und mit zahlreichen Herausforderungen verbunden. In der heutigen hektischen Zeit, in welcher die Menschen als Ausgleich zu ihrer stressigen Alltagswelt in der Freizeit vermehrt Ruhe, Natur und das Erlebnis abseits der grossen Agglomerationen suchen, bietet ein Naturpark sicherlich ein interessantes Potenzial.
Übersicht der wirtschaftlichen Effekte von National- und Naturpärken in den Alpenländern
Land/Gebiet |
Autor-/innen |
Methode |
Ergebnis |
Schweiz |
|||
Naturnaher Tourismus |
Siegrist et al. (2002) |
Schriftliche Bevölkerungsbefragung |
Direkte Wertschöpfung 2.3 Mia. SFr. pro Jahr (ca. 1.9 Mia. Euro) |
Schweizerischer Nationalpark |
Küpfer (2000) |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 8.8-12.8 Mio. SFr. pro Jahr (ca. 7.2 – 10.4 Mio. Euro) |
3-4 Regionale Naturparkprojekte im Kanton Bern |
Siegrist et al. (2006) |
Regionalwirtschaftliche Modellrechnung |
Erwartete regionale Wertschöpfung 6-21 Mio. SFr. pro Jahr (ca. 4.9 – 17.1 Mio. Euro)
|
Österreich |
|||
Natura 2000 - Schutzgebiet Karwendel |
Getzner et al. (2002) |
Regionalwirtschaftliche Modellrechnung |
Erwartete regionale Wertschöpfung ca. 650‘000 bis 3.6 Mio. Euro pro Jahr |
Natura 2000 - Schutzgebiet Waldviertel |
Getzner et al. (2002) |
Regionalwirtschaftliche Modellrechnung |
Erwartete regionale Wertschöpfung ca. 124‘000 bis 436‘000 Euro pro Jahr |
Naturparke Burgenland |
Weixlbaumer et al. (2007) |
Direkte Gästebefragung |
Tagesausgaben 31 Euro |
Deutschland |
|||
Nationalpark Bayerischer Wald |
Job (2008) |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 13.5 Mio. Euro pro Jahr |
Naturpark Altmühltal |
Job et al. (2005) |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 10.25 Mio. Euro pro Jahr |
Müritz Nationalpark |
Job et al. (2005) |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 6.86 Mio. Euro pro Jahr |
Nationalpark Berchtesgaden |
Job et al. (2003) |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 4.64 Mio. Euro pro Jahr |
Naturpark Hoher Fläming |
Job et al. (2005) |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 3.0 Mio. Euro pro Jahr |
Italien |
|||
Naturpark Riesenferner - Ahrn (Südtirol) |
Lehar et al. (2003): |
Direkte Gästebefragung |
Regionale Wertschöpfung 1.94 Mio. Euro pro Jahr |
Quelle: Siegrist (2008)
Quellen:
Siegrist D. (2009). Touristische Wertschöpfung von Naturpärken. Präsentation Tagung Regionalentwicklung regiosuisse Luzern. HSR Hochschule für Technik Rapperswil.
Siegrist D. (2008). Pärke von nationaler Bedeutung – Touristische Marktanalyse und Erfolgsfaktoren. HSR Hochschule für Technik Rapperswil
Zitiert in Siegrist (2008):
- Siegrist et al. (2006) Siegrist, D., Peyer-Laube, K. (2006): Kurzevaluation ‚Schweiz pur’ (2006). Forschungsstelle für Freizeit, Tourismus und Landschaft der Hochschule für Technik Rapperswil im Auftrag von Schweiz Tourismus. Zürich/Rapperswil.
- Küpfer I., Elsasser H. (2000): Regionale touristische Wertschöpfungsstudien: Fallbeispiel Nationalparktourismus in der Schweiz, in: Tourismus-Journal: Zeitschrift für tourismuswissenschaftliche Forschung und Praxis, S. 433-448.
- Weixlbaumer, N., Gamper, C. & Gruber, K. (2007). NABU – Naturparke Burgenland. Bedeu- tung der Naturparke Burgenlands für den Tourismus und die wirtschaftliche Entwicklung der Region. Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien. Wien.
- Job, H., Harrer, B., Metzler, D. (2005). Ökonomische Effekte von Grossschutzgebieten: Untersuchung der Bedeutung von Grossschutzgebieten für den Tourismus und die wirt- schaftliche Entwicklung der Region. BfN-Skripten 135. Bonn.
Zitiert in Siegrist (2009):
- Siegrist, D., Aufdereggen, M., Lintzmeyer, F., Spiess, H. (2006): Ökonomische Analyse von regionalen Naturpark-Projekten im Kanton Bern. Forschungsstelle für Freizeit, Tourismus und Landschaft der Hochschule für Technik Rapperswil und Institut für Nachhaltige Entwicklung der Zürcher Hochschule Winterthur im Auftrag der Berner Wirtschaft beco. Bern/Rapperswil. Download: http://www.jgk.be.ch/site/agr_raumplanung_paerke_schlussbericht.pdf
Internetseiten:
http://www.rz-online.ch/region/brig/bald-ein-naturpark-simplon
Titelbild: Landschaftspark Binntal (Binn), Römerbrücke über den Fluss Binna im Binntal, ©Valais/Wallis Promotion Lorenz Andreas Fischer