Amazon: Rückeroberung des Tourismus

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Normalerweise hört man in regelmässigen Abständen von Airbnb, Booking oder Google, welche Fortschritte sie im Tourismussektor machen und wie weit sie ihre Technologie weiterentwickeln. Bisher ganz im Gegensatz zu Amazon, das sich darin eher zurückgehalten hat und diskret geblieben ist. Trotz des Misserfolgs bei der Hotelreservierungsplattform im Jahr 2015 hat Amazon seine Entwicklungsaktivitäten seitdem fortgesetzt. Die Ankündigungen der letzten Monate zeigen sogar, dass dieser Gigant des E-Commerce daran ist, einen neuen bzw. eher aggressiven Durchbruch im Tourismus zu erzielen. Durch die Multiplikation von Investitionen und strategischen Partnerschaften stärkt Amazon seine Position in diesem Bereich. Mit einem Wert von 315 Milliarden Dollar wurde Amazon zudem gerade mit dem Titel «stärkste Marke der Welt» ausgezeichnet. In diesem Zusammenhang wird für Amazon auch die Reisebranche im kommerziellen Krieg mit Google zu einem Wettbewerbsfaktor.

 

Anbieter von technologischen Lösungen zur Rückgewinnung des Tourismus

Nach dem bitteren Misserfolg seiner Amazon Destinations Hotelreservierungsplattform im Jahr 2015 ändert Amazon nun den Kurs und bewegt sich in Richtung Entwicklung technologischer Lösungen. Nach dem Misserfolg tätigte Amazon grosse Investitionen in den Bereich des Internet der Dinge, insbesondere in vernetzte Lautsprecher sowie in künstliche Intelligenz. Diese technologischen Fortschritte werden grosse Reiseunternehmen anziehen, die darin ein enormes Potenzial für die Online-Buchung sehen. Skyscanner oder OuiSNCF integrieren eine Such- und Reservierungsfunktionalität per Sprachbefehl in Amazon Echo. Erst vor einem Jahr hat Amazon diese Innovation mit "Alexa For Hospitality" in der Hotellerie eingeführt. Dieser «Smart Speaker», der wichtige Hotelinformationen (Check-in-Zeiten, Zugang zum Pool etc.) liefert, eroberte bereits die Marriott-Gruppe.

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Kürzlich kam die Information, dass Amazon mit einem Forschungslabor zusammenarbeitet, um ein Armband auf den Markt zu bringen, welches die Emotionen in unserer Stimme analysieren kann. Amazon hofft, mit dieser Technologie die Werbung und Produktempfehlungen noch gezielter ausrichten zu können. Langfristig ist es denkbar, dass Unternehmen wie zum Beispiel der Verkehrssektor es interessant finden könnten, mit dem Armband Flüge oder Reiseziele anzubieten.

Aber das ist noch nicht Alles! Amazon will auch das Cloud Computing, die Speicherung von Anwendungs- und Plattforminhalten auf seinen Servern, stärken. Laut einer Skift-Quelle, die von unseren Kollegen von Echotouristique  weitergegeben wurde, befindet sich Amazon derzeit in der Rekrutierungsphase, um den Aufbau seiner Abteilung Amazon Web Services (AWS) abzuschliessen. Amazon soll einen Marketingmanager für Hotels und Reisen sowie Handelsvertreter suchen. Zwei Fluggesellschaften, Korean Air und Ryanair, haben bereits ihre Absicht bekundet, die Amazon-Cloud zu nutzen.

 

Partnerschaften mit den OTAs werden immer intensiver

Seit einigen Monaten multipliziert Amazon seine Partnerschaften. Mit mehr als 300 Millionen aktiven Kunden weltweit entwickelt sich der Online-Gigant zu einem besonders attraktiven strategischen Verbündeten für Tourismusunternehmen. Dies ermöglicht Amazon auch, seine Prime Members zu verwöhnen.

Dank einer Anfang des Jahres unterzeichneten Vereinbarung ermöglicht die Online-Agentur Lastminute.com ihren 40 Millionen monatlichen Nutzern in Grossbritannien, Frankreich, Deutschland, Italien und Spanien den Kauf ihrer Flüge, Hotels und Aufenthalte mit der Amazon Pay-Lösung.

Im April fand ein strategischer Zusammenschluss mit Booking statt. Ein Jahr lang erhalten Amazon Prime Members in Deutschland und Österreich den "Genius"-Status bei Booking.com. So profitieren sie nach einer Reservierung auf der Plattform von vielen Vorteilen wie "Reisegutschriften" und erhalten sogar 10 % Rabatt auf bestimmte Zimmerbuchungen.

Seit Ende Mai verkauft Amazon in Zusammenarbeit mit dem Reisebüro Cleartrip Flugtickets. Zunächst werden nur Inlandstrecken in Indien vermarktet. Amazon gewährt seinen Kunden für die Markteinführung einen Kredit in der Höhe von 5 bis 20 Euro, je nach Preis des Tickets, und seinen Prime Members wird ein zusätzlicher Kredit in Höhe von 5 Euro gewährt.

 

Welche Absichten verfolgt Amazon?

Mit einer derartigen Diversifizierung, von der Datenspeicherung bis hin zu Zahlungssystemen, ist Amazon in der Lage, das gesamte Kundenerlebnis zu kontrollieren. Diese Möglichkeiten, wenn sie zielgerichtet, flüssig und intuitiv eingesetzt werden, vereinen alle Voraussetzungen für ein optimales Einkaufserlebnis.

Für einige Fachleute haben all diese Akquisitionen und Entwicklungen nur den Zweck des Wettbewerbs mit dem Konkurrenten Google. Gemäss ihrer Einschätzung neigt Amazon dazu, sich zu einer Meta-Engine zu entwickeln, in welcher der Internetnutzer nach Informationen suchen und diese direkt auf seiner Plattform kaufen kann, ohne Google zu benützen.

Aber der eigentliche kommerzielle Krieg gegen Google (und Facebook) findet an der Werbefront statt.

Die Leistung ist immer noch weit von der, der Wettbewerber entfernt, aber die Umsätze aus Werbeleistungen wachsen stark. Mit der jüngsten Integration der Augmented-Reality-Funktionalität für L'Oréal-Produkte und der Einführung der neuesten StyleSnap-Anwendung festigt Amazon seine Ambitionen, Marktführer im Online-Shopping zu werden, um auf diese Weise grosse Marken, die andere Werbe- und Vertriebskanäle über Google und Instagram nutzen, zu anzulocken.

Amazon Graphique

Quelle: 7 statistiques surprenantes du numérique en 2019 (extrait de Internet Trends 2019, Mary Meeker). 

 

Laut Christian Lundén, Direktor der Nordic Choice Hotel Gruppe, sollten die Tourismusfachleute auf die Entwicklung von Amazon aufmerksam sein: „Dies ist kein Wettbewerb mehr zwischen Booking und Expedia. Es ist jetzt ein Wettbewerb zwischen Google, Amazon und Apple. Diese Riesen haben mehr Informationen als die Dienstleister selbst und noch mehr Informationen als Online-Reisebüros. Es ist daher klar, dass diese Akteure in Zukunft eine wichtige Rolle spielen werden.“ Seiner Meinung nach ist es unwahrscheinlich, dass sie weiterhin über die OTAs agieren werden, weil es für sie zu teuer ist. Die Vorhersagen von Ch. Lundén scheinen sich zu bestätigen, da Google gerade sein eigenes Reservierungssystem eingeführt hat.