Sanfte Mobilität und Routing Tourismus
Randonnee Etourisme Cyclotourisme Outdoor Mobilite MobileBild: Flickr ADT 04 Haute- Provence
Routing Tourismus bedeutet, sich auf gut ausgeschilderten Routen von einem Dorf zum anderen bzw. von einem Tal zum anderen zu Fuss, mit dem Fahrrad etc. zu begeben, um dann am Etappenziel von einer komfortablen Unterkunft und einem angemessenen Empfang profitieren zu können. Das sich stetig erneuernde Tourismus Touring wird vor allem bei einem jungen Publikum immer beliebter.
Die vorliegende Analyse beruht auf zwei wichtigen Quellen: Einmal auf der Januar/Februar-Ausgabe 2018 der Fachzeitschrift «Espace» sur le tourisme itinérant doux, die eine Bilanz zum Routing Tourismus zieht. Dann auf den Events von Les Rencontres GTA Move your Alps à Chambéry les 23 et 24 novembre 2017, welche sich vorwiegend mit den technologischen Innovationen befassen, die das Touring begünstigen.
Akzeptanz einer flexibleren touristischen Entwicklung
Das sanfte Touring bietet von der sportlichen Herausforderung bis zur selbstbeobachtenden Reise oder vom Adventure Racing bis zur Entdeckungsreise unbegrenzte Möglichkeiten des Reisens und genügend Errungenschaften, um während des gesamten Jahres die unterschiedlichsten Kunden anzuziehen. Dennoch ist die Entwicklung eines Qualitätsangebots, selbst wenn sich das Gebiet durch den Faktor „Attraktivität“ auszeichnet, nicht ganz einfach umzusetzen. Die Anforderungen können sehr wohl bewältigt werden, meint Christophe Révert (Consultant, Versant Sud), aber es müsste auch ein flexibleres touristisches Entwicklungsmodell akzeptiert werden, als wir es uns von den üblichen Konzepten der Stationen gewöhnt sind.
Eine Geisteshaltung
Das Routing ist eine Geisteshaltung. Für einige Beobachter zeigt sich die Erneuerung des Tourismus bereits anhand einer neuen jungen Kundschaft, die hyper-vernetzt ist, gleichzeitig aber auch das Gegenteil davon lebt, indem sie sich auf nicht-vernetzte Erlebnisse einlassen möchte. Denn Reisen ist auch die Bereitschaft, sich auf das Unvorhergesehene, auf den Zufall einzulassen. Gewisse Kunden wollen sich nicht durch die digitale Nutzung „einsperren“ lassen. Egal ob es sich um Technologiefreaks handelt oder nicht – beide Kundentypen teilen dieselbe Vorliebe für das sanfte Touring, was einen ausgeprägten Gemeinschaftssinn und einen guten Nährboden für Marketing in den sozialen Netzwerken schafft. Das Offline-Gehen tagsüber kommt dabei dem Bedürfnis, seine Abenteuer live oder abends zu teilen, nicht in die Quere.
La Malle Postale – ein Spediteur im Dienst des Menschen
Das Touring wird entweder ganz allein, in autonomen Gruppen oder mit einem Führer praktiziert. Die neue Tendenz von einem durch Technologie unterstützten Touring entspricht nicht allen Kunden. Für einige ist die Rückkehr zur Nutzung eines individuellen und menschlichen Angebots entscheidend. Emmanuel Ollier, Leiter und Gründer von La Malle Postale, pflegt den direkten Kontakt ganz speziell, indem er einen echten Online-Service für die Internet-Nutzer anbietet. Beim Wandern auf den Pfaden des Jakobswegs nach Santiago de Compostela suchen Reisende im Alter zwischen 65 und 75 Jahren eine direkte Unterstützung. LaMalle Postale präsentiert sich in diesem Sinn als Unternehmen für Gepäcktransport sowie als Beförderungsdienst von Privatfahrzeugen, wobei eine permanente telefonische Unterstützung garantiert wird. Dabei ist es notwendig, die Sicherheit der wandernden Senioren zu gewährleisten. Dies ist übrigens ein starkes Argument für die Kundenbindung bei dieser Zielgruppe von Reisenden. Seit das Unternehmen La Malle Postale diese Dienstleistung anbietet, ist die Transportnachfrage innert Kürze von 30 Gepäckstücken/Tag auf 800 Gepäckstücke/Tag angestiegen!
Quelle: La Malle postale
Verschmelzung von Touring mit digitaler Nutzung
Ein fachgerechtes Angebot (Beherbergung, Kartographie der Routen, logistische Unterstützung, thematische Reisen zu Fuss, mit dem Velo bzw. dem Motorrad, im Auto oder mit dem Pferd) ist für den Konsumenten auch online strukturiert ersichtlich. Auf diese Weise wird das Angebot leicht identifizierbar, so dass der Kunde seine Reservationen eigenständig vornehmen und völlig frei die unterschiedlichen Bausteine seiner Reise zusammenfügen kann. Neue Applikationen über das Smartphone werden entwickelt und ermöglichen dem Surfer, seine Reise auf lange Sicht zu organisieren. Damit öffnen sich vielfältige Perspektiven für eine ganze Reihe von Start-ups im digitalen Bereich, die derzeit in Lösungen investieren, welche die Vorbereitung der touristischen Route der Reisenden erleichtern.
Quelle: Caisse des dépôt
I-Routing: Drei Beispiele von Plattformen
Mon Tour in Frankreich pflegt den Online-Einkaufsprozess
GTA Move Your Alps kooperiert im Rahmen seiner Rolle als Operator mit Mon Tour in Frankreich, einer sich im Aufbau befindenden Online-Vermarktungsplattform für das Touring, um ein neues Verkaufstool für Dienstleistungen auf den grossen alpinen Reiserouten anbieten zu können. Die Applikation «Mon tour en France» ermöglicht nach dem Prinzip des „Einkaufskorbs“, die Organisation von Routen mit unterschiedlichen touristischen Dienstleistungen zu kombinieren. Dabei kann man über dieselbe Plattform Online-Reservationen tätigen und die gesamten Einkäufe in einer einzigen Rechnung zusammenführen.
Personalisierte Aufenthalte durch «My trip tailor»
«My trip tailor» ist eine ähnliche Internetplattform, mit welcher der Kunde seine eigene Route, seinen personalisierten Parcours kreieren kann: Sie bringt ihn in Verbindung mit Referenzdienstleistern und schlägt ihm einen Online-Zahlungsprozess seiner Dienstleistungen vor, die er ausgewählt hat, und zwar nach dem Prinzip des „one shot pay“. In Frankreich wird diese Initiative auch von Michelin gefördert. Für Paul Carill (Michelin Travel Partner) muss dies unbedingt online geschehen, um den OTA entgegenzutreten, die die Hälfte des e-commerce Marktes der Reisebranche beherrschen. Mittelfristig zielt My Trip Tailor darauf ab, die Vielfalt seines Angebots auszubauen, wobei das sanfte Touring (insbesondere Wandern und Velo) bevorzugt wird.
Quelle: My trip tailor
Outdooractive: Eine Gemeinschaft von Open Air Enthusiasten
Die Plattform outdooractive existiert seit 2000 und besitzt heute in den deutschsprachigen Regionen eine grosse Bedeutung. Outdooractive ist im Moment daran, in Frankreich und auch in anderen Ländern aktiv zu werden. Diese Plattform hat bis heute mit ihren beachtlichen 700'000 Mitgliedern erfolgreich eine Gemeinschaft von Open Air Aktivitäten aufgebaut. Täglich finden auf der Plattform tausende von Benutzern Inspirationen für ihre Reisen (Destinationen, Wanderwege, kommerzielle Angebote und Unterkünfte). Sie interagieren, kommentieren, evaluieren und teilen. Schliesslich planen und bestätigen sie die Reservation ihres nächsten Aufenthalts. Sarah Urban (sales manager France) hält fest, dass die Entwicklung der künstlichen Intelligenz in den kommenden Jahren für die Märkte von Routing an Bedeutung gewinnen wird. Diese Art des Reisens befindet sich in vollem Aufschwung. Outdooractive besitzt einen Sektor Ra&D, um sich aktiv vorzubereiten. Die Teilnehmer der Events von Move your Alps de Chambéry haben zwar die verunsichernde und irritierende Seite dieser neuen Tools akzeptiert (man spricht von „smart itinérance“), erkennen aber trotzdem „die Notwendigkeit an, den technologischen Weiterentwicklungen zu folgen, um immer anspruchsvollere Kunden zufriedenstellen zu können“.
Quelle: Outdooractive France
Schnellere Entwicklung von Velo-Touring durch E-Bikes
Gemäss Julia Steiner, Projektverantwortliche innerhalb der Naturparks des französischen Zentralmassivs, hat sich der Vorstand der regionalen touristischen Entwicklung entschlossen, die Realisierung einer E-Bike Wanderroute von 1'360 km Länge – ein Projekt, das eingestellt worden war – wieder aufzugreifen. Die Route soll 11 Departemente und 5 Naturparks durchqueren. Die Wiederaufnahme dieser Strecke wird rund um die E-Bikes realisiert, um mit dieser Tourenpraxis einem eher auf Vergnügen als auf Sport ausgerichteten Publikum gerecht zu werden. Das Projekt berücksichtigt auch die Zugänglichkeit des Parcours mit den öffentlichen Verkehrsmitteln, wie Bus und Zug. Dabei können auch Begleitfahrzeuge die Route bedienen.
Man hat sich für dieses Projekt auch durch die P’tites Routes du Soleil, einem touristischen Velowanderweg mit dem Thema „relax, loin des grands axes“ im Departement Alpes maritimes (890 km) in Haute-Savoie, inspirieren lassen. Das Besondere an dieser Route ist, dass sie, dank einer feinen Vernetzung von Dienstleistern (Betreibern von Unterkünften, Restaurateuren, Vermietern und Tourismusbüros), mit dem E-Bike abgefahren werden kann, weil die Dienstleister auch über abgesicherte Batterieladestationen verfügen. Diese Strecke zielt auch eher auf das Vergnügen als auf die sportliche Leistung der Kunden ab, da man eine gewisse Abneigung für zu anspruchsvolle Routen feststellen kann, die nicht genügend Raum für Individualisten bieten.
Quelle: GTA move your Alps
Sanftes Touring als Herausforderung für das Marketing
Dank e-commerce können die meisten Destinationen über ihre eigenen Verteiler-Kanäle auf ein positives kommerzielles Echo für ihre Touring-Produkte hoffen. Sie haben aber auch die Möglichkeit, sich Plattformen zuzuwenden, die dem Touring gewidmet sind. Bei dem reichen Angebot, das einer echten Tendenz entspricht, stellt sich die Frage, ob der Erfolg auf die zehntausende von ausgebauten Kilometern in Frankreich zurückzuführen ist. Dem gegenüber fragt sich Julien Farama (assoziierter Direktor des Büros Traces TPI), ob der Blick auf die Breite des Angebots dadurch verstellt wird, indem ausschliesslich die „best seller“ (le tour du Mont-Blanc, la Loire à vélo, les itinérances de St. Jacque de Compostelle) wahrgenommen werden. Diese Fragestellung ist insofern wichtig, als der „Mechanismus“ der Umsetzung von Routing ein Produkt ist, dessen Realisierung kompliziert bleibt.
Das Beispiel des «chemin des moines»
Infrastruktur und Qualität der Strecke allein genügen nicht mehr, um den Erfolg zu garantieren, und müssen deshalb durch ein anspruchsvolles Marketingkonzept ergänzt werden, wie das Beispiel des Chemin des moines im Burgund zeigt. Dabei ist der thematische Ansatz entscheidend, um sich erfolgreich abheben zu können. Die Bezeichnung „Chemin des moines“ wurde bewusst gewählt, um dem Publikum die prestigeträchtige Geschichte dieser Wanderroute in Erinnerung zu rufen, die von einem Cluniazenser Kloster zum anderen führte. Es wurde eine grafische Karte erstellt, dann ein Katalog erarbeitet, der sich zwei Produkten widmet: Einer E-Bike Route von 3 Tagen und einem Wanderweg über eine Woche. Um das Bewusstsein für diese Route noch zu verstärken, wurde durch das Angebot einer Nachtwanderung für ein einmaliges Erlebnisabenteuer mit zahlreichen Events auf der ganzen Strecke gesorgt.
Quelle: Chemin des moines
Referenzen
Christophe Revéret. Construire et mettre en marché une offre de tourisme itinérant. Pas si facile. Revue ESPACES tourisme et loisirs 340 [Visite de lieux alternatifs et patrimonialisation // Tourisme itinérant doux], 70-74, janvier-février 2018
Julia Steiner. Le Massif central prépare l’avenir de son offre d’itinérance. Revue ESPACES tourisme et loisirs 340 [Visite de lieux alternatifs et patrimonialisation // Tourisme itinérant doux], 89-95, janvier-février 2018.
Julien Farama. L’itinérance non motorisée au défi du marketing. Revue ESPACES tourisme et loisirs [Visite de lieux alternatifs et patrimonialisation // Tourisme itinérant doux], 75-79, janvier-février 2018.
Muriel Faure. L’itinérance douce, un tourisme à fort pouvoir attractif, mais complexe à mettre en œuvre. Revue ESPACES tourisme et loisirs 340 [Visite de lieux alternatifs et patrimonialisation // Tourisme itinérant doux], 62-69, janvier-février 2018.
Move your Alps. Innovations technologiques et itinérance au cœur des Rencontres Move your Alps. Communiqué de presse, 28 novembre 2017.
Walliser Tourismus Observatorium. Digitalisierung und künstliche Intelligenz im Tourismus, 26. Februar 2018
Walliser Tourismus Observatorium. Die grossen Wanderrouten – eigenständige Destinationen, 15. Juni 2016.
Walliser Tourismus Observatorium. Mullerthal Trail in Luxemburg: Wanderweg mit Gütesiegel und wissenschaftlichem Monitoring: le Mullerthal Trail au Luxembourg, 8. Juni 2016.
Pascal Cotte. My Trip Tailor, une plate-forme au service de l’itinérance à la carte. Revue ESPACES tourisme et loisirs 340 [Visite de lieux alternatifs et patrimonialisation // Tourisme itinérant doux], 142-144, janvier-février 2018
Les Rencontres GTA Move your Alps. Smart itinérance: « les innovations technologiques, accélérateur d’itinérance », 23 & 24 novembre 2017, Chambéry. Vidéos des interventions disponibles sur le site internet.
Sylvain Baudet et Frédéric Weil. Territoires et conseils : Intégrer le numérique dans les stratégies touristiques. Collection Collectivités locales et transition numérique, 28 p., 14 février 2017