Publikumsbeteiligung als wichtiger Bestandteil der Kulturprogrammierung
Festival KulturKultur Wallis präsentierte am vergangenen 6. Oktober im Rahmen der «Foire du Valais» in Martigny die 6. Ausgabe des «Rendez-vous der Kultur 2020»: «Das Publikum einbeziehen: nützlich und notwendig zugleich?».
Die Co-Konstruktion von Kulturprojekten, um Kreativität und Innovation zu fördern, ist in der Tat ein starker Trend in der aktuellen Kulturprogrammierung. Sowohl bei Museen, Theater als auch Festivals aller Art scheint sich das Fieber der Co-Kreation auf alle Kulturbereiche auszubreiten. Hier ist ein kurzer Überblick über einige Initiativen in der Westschweiz und der benachbarten Deutschschweiz.
© Louis Dasselborne
Internationales Filmfestival Freiburg: Das Publikum wählt seine Lieblingsfilme aus
Das Internationale Filmfestival Freiburg (FIFF) hat beschlossen, die Bevölkerung einzuladen, einen Teil seiner nächsten Ausgabe im März 2021 zu programmieren. Tatsächlich kann das Publikum unter fünfzig Filmtiteln, die in einem Zusammenhang mit dem Thema des Bereichs Genrekino Musik stehen, für seinen Lieblingsklassiker stimmen. Diese Möglichkeit ist neu in der Welt der Filmfestivals, die es gewohnt sind, sich bei der Zusammenstellung ihres Programms auf eine Expertenjury zu verlassen.
Museen: Kulturelle Demokratie und Inklusion
Mit ihren Kulturvermittlungsprogrammen engagieren sich die Museen für soziale Anliegen, wie z. B. das Museum und der Archäologiepark Laténium, das als erstes Museum in der Westschweiz das von Pro Infirmis verliehene Label «Kultur inklusiv» für seine Rolle bei der Integration von Menschen mit Behinderungen bei der Entwicklung von Ausstellungsführungen erhalten hat.
Für Katrin Rieder, Kultur Mediatorin, hat die kulturelle Partizipation vor allem die Stärkung des sozialen Zusammenhalts zum Ziel. Es geht dabei darum, «das Thema Ungleichheiten und Ausgrenzung proaktiv anzugehen». So wurde z. B. das Multaka-Projekt des Berliner Museums, bei dem ehemalige Flüchtlinge die Besucher zu einem Rundgang durch die Ausstellungen einladen, vom Historischen Museum in Bern übernommen. Bei dem Projekt «Multaka: Treffpunkt Museum» werden syrische und irakische Flüchtlinge zu Museumsführern ausgebildet. Multaka bzw. «Treffpunkt» auf Arabisch wird auch im Sinn eines Austauschs unterschiedlicher kultureller und historischer Erfahrungen verstanden.
Teilnahme 2.0 im Mittelpunkt des Numerik Game Festivals
Die 5. Ausgabe des «Numerik Game Festivals von Yverdon», die wegen COVID-19 abgesagt wurde, hofft darauf, sich über die sozialen Netzwerke wieder erholen zu können. Marc Atallah, sein engagierter Direktor, wünscht sich ein Festival, das «zu 80 % partizipatorisch» ist. Aus diesem Grund findet dieses einzigartige Festival normalerweise im Sommer statt, denn «im Sommer sind wir den Menschen näher als im Winter». «Digital ist eine Sprache» und wie jede Sprache ermöglicht sie auch die Kommunikation zwischen den Generationen. Davon ist ihr Direktor überzeugt. Sich in einem Techno-Kokon zu isolieren, seinen Hass über soziale Netzwerke zu verbreiten, sich freiwillig in seinem Lieblings-Videospiel einzuschliessen: Alle diese Verhaltensweisen zeigen nur Facetten der digitalen Realität. Unter den vielen vorgeschlagenen Aktivitäten befindet sich der Minekraft-Workshop, in dem Kinder futuristische Architekturen vorschlagen, die dann in sozialen Netzwerken veröffentlicht werden. So auch die Möglichkeit, bei der Besucher mit Hilfe einer App Gedichte schreiben. Die Gedichte werden dann live vor einer Anzahl von Besuchern projiziert, die sich in Liegestühlen räkeln und an einem Getränk nippen. Sommerliche Strandatmosphäre... digital kann benutzerfreundlich sein, das ist hier die Botschaft.
Marc Atallah © Louis Dasselborne
Die Abenteuer des Palp-Festivals im Walliser Bergdorf Bruson
Das Palp-Festival hat es geschafft, sein Programm für 2020 zwischen den beiden Wellen von COVID-19 zu platzieren. Sein Direktor, Sébastien Olsen, ist erleichtert. Zusätzlich konnte er seine Erfahrung der kulturellen Integration mit den Bewohnern von Bruson, einem kleinen Bergdorf, das «vor einigen Jahren seinen Sessellift verloren hat», verwirklichen. Aber wie bindet man die Öffentlichkeit in ein neues kulturelles Leben ein? Zunächst einmal ist es eine Frage des Zuhörens. Was ist der Traum der Einwohner von Bruson, fragte sich das Team des Palp-Festivals. Die Antwort war klar und deutlich: Die Kultur kommt über das Gebiet direkt in den Magen, denn die Einwohner von Bruson wollten unbedingt ihren Lebensmittelladen, einen Ort der Sozialisierung par excellence, wieder eröffnen. Gesagt und getan! Das Lebensmittelgeschäft öffnete seine Türen im Frühjahr wieder. Es wurde sofort zu einem strategischen Treffpunkt für die «Brusoniers» und das Team des Palp-Festivals. Seither gibt es zahlreiche «co-konstruierte» Projekte. Zeitgenössische Kunst und lokale Produkte werden gemischt, zwischen Konzerten und Raclette. Die ländlichen Gebiete (Scheunen und alte Ställe) werden für Fotoausstellungen genutzt. «Man kann die lokale Tradition kombiniert mit Gastkünstlern entdecken», erklärt die Anthropologin Mélanie Hugon Duc. Dabei werden Kuhglocken zum Musizieren ausgeliehen, die Einwohner schaben zur Freude der Besucher Käse (angeboten vom Palp-Festival) vor ihren Häusern. Die Welt entdeckt dieses «typische kleine Walliser Bergdorf» wieder.
Sébastien Olsen © Louis Dasselborne
Titelfoto
Katrin Rieder © Louis Dasselborne