Vom Bier zum Brauerei-Tourismus

Bier als begehrtes Getränk

In den letzten zehn Jahren hat das Bier sein Image zurückgewonnen. Mit dem Aufkommen von Mikrobrauereien und der Entwicklung einer Reihe diversifizierter und anspruchsvoller Produkte gewann das Bier neue Anhänger. Mit seiner freundlichen und zugänglichen Konnotation wird es sogar zum Trend.

 

Der Schweizer Biermarkt

Im Jahr 2020 gab es in der Schweiz 1'212 Brauereien. Diese Unternehmen produzierten insgesamt 3,4 Millionen Hektoliter Bier. Bern (200), Zürich (163) und Waadt (118) sind die Kantone mit den meisten Bierbrauereien. Das Wallis hat 52 Brauereien.

Der Schweizer Brauerei-Verband schätzt den durchschnittlichen Bierkonsum pro Kopf auf 52 Liter im Jahr 2020. Während die Tschechen als grösste Bierkonsumenten (rund 183 Liter pro Person und Jahr) an der Spitze stehen, konnte die Schweiz 2019 die höchste Anzahl an Brauereien pro Kopf (131 Brauereien pro 1 Million Einwohner) in Europa vorweisen.

Der Biermarkt floriert überall und nimmt anderen Arten von alkoholischen Getränken weiterhin Marktanteile weg. Laut dem Bundesamt für Statistik ist der Bierabsatz in der Schweiz zwischen 1997 und 2017 stark gestiegen (+ 19 %), während der Absatz von Spirituosen um 11 % zunahm und der Weinabsatz im gleichen Zeitraum um 19 % zurückging.

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Quelle: Tourobs

 

IPA-, saures und alkoholfreies Bier

Christoph Lienert, stellvertretender Direktor des Schweizerischen Brauerei-Verbandes, wies in der Zeitung 24Heures auf mehrere Trends hin, wie die starke Vorliebe der Schweizer für IPA-Produktionen (Indian Pale Ale), obergärige Lagerbiere, aber auch für saure Biere.

Die Schweizer schätzen auch das lokale Bier. «Bei zehn Einkäufen entschieden sich die Konsumenten achtmal für ein Bier aus der Schweiz», berichtet die Zeitung 24Heures.

Weltweit hat der Alkoholkonsum in den letzten Jahren stagniert, während der Verkauf von alkoholfreien Getränken stark zugenommen hat. Das alkoholfreie Bier folgt diesem globalen Trend. Der Schweizerische Brauerei-Verband rechnet mit einer Steigerung des Absatzes von alkoholfreiem Bier um mehr als 15 % im Jahr 2020.

Quelle: ©elevatebeer ; Unplash

 

Mit dem Brauerei-Tourismus die Welt des Bieres entdecken

Jedes Jahr interessieren sich immer mehr Menschen für die Bierherstellung. Der Know-how-Tourismus im Allgemeinen erfährt durch die Pandemie einen regelrechten Aufschwung. Die Neugier auf die regionale Produktion, das Interesse am Konsum in der Nähe, der Wunsch, die lokale Wirtschaft zu unterstützen – der Brauerei-Tourismus orientiert sich an den neuen Erwartungen und Werten der Besucher.

In den Vereinigten Staaten gibt es den Brauerei-Tourismus bereits seit etwa 20 Jahren. Im Jahr 2018 haben fast 40 Millionen Amerikaner eine Brauerei besucht. Auch in Europa wächst dieses Interesse. In Frankreich haben 2019 1 Million Besucher eine Brauerei besucht, fast doppelt so viele wie vor drei Jahren.

Diese Bierbegeisterung und das Interesse am Prinzip der Herstellung führen dazu, dass die Tourismusbranche diesen Trend aufgreift.

 

Eine Auswahl an Angeboten

Die Website bière-tourisme.fr listet mehr als 700 Brauereien auf dem französischen Festland auf. Gleichzeitig hat sich das in Lille ansässige Start-up-Unternehmen l'Echappée Bière, ein Incoming-Reisebüro, auf die Nische des Brauerei-Tourismus konzentriert. Das Unternehmen Jeux de piste  listet und vermarktet Dutzende von Brauerei-Aktivitäten in ganz Frankreich, darunter Schatzsuchen, Verkostungs-Workshops, Führungen, Brauerei-Urlaube und Veranstaltungen.

Bierfahrt auf der Deûle bei l’Echappée Bière

 

In Lille haben die Einschränkungen im Zusammenhang mit dem Coronavirus dazu geführt, dass das Format der Schatzsuche in ein urbanes Raumspiel umgewandelt wurde. Die Teilnehmer können auf eigene Faust losziehen, um Rätsel über Bier zu lösen und dabei die Stadt zu entdecken.

Quelle: echappee-biere.com

 

Bierwanderungen: Der Genuss des Wanderns trifft auf den Genuss der Degustation

Auch die Kombination aus Wandern, einer sehr beliebten Aktivität, und der Entdeckung lokaler Biere liegt voll im Trend. Das Konzept der Rando bière wurde 2014 in der Schweiz geboren und von Monika Saxer entwickelt und wurde vom Verlag Helvetiq unterstützt. Mit 45’000 verkauften Exemplaren ist das Buch ein grosser Erfolg.

Die Autorin bietet Vorschläge für Wanderrouten, die zu Besuchen von Kleinbrauereien führen. Randos Bière in der Schweiz verfügt über 59 Routen im ganzen Land.

In Frankreich möchte die Region des Département Gard dieses Know-how besser bekannt machen und hat beschlossen, eine dem Bier gewidmete «touristische Route» einzurichten. Die brandneue Route des Brasseurs wurde in diesem Frühjahr eröffnet.

 

Innovative Walliser Brauereien wirtschaftlich und soziokulturell verankert

Das Wallis, das vor allem für seine Weinkultur bekannt ist, hat sich mit der Bierproduktion eine neue Identität geschaffen. Die erste Biermesse, die 2019 im Wallis stattfand, trug zu dieser Anerkennung bei.

Die Brauereien des Kantons öffnen ihre Türen für Besucher und diversifizieren ihre Aktivitäten.

Die Brauerei La Marmotte in Crans-Montana und Heidnisch in Raron bieten Führungen an.

In Saas-Fee kann man lernen, wie man Bier braut und dabei Gletscher-Bräu degustieren.

In Morgins veranstaltet 7Peaks gesellige und thematische Abende unter dem Namen «les Jeudredis». Die Brauerei hat auch einen food truck aufgestellt, in dem mit Bier gekochte Gerichte angeboten werden. In Zusammenarbeit mit dem regionalen Reiseziel Dents du Midi werden auch die Touren «Accord Bières & Produits du Terroir» organisiert. Über seine geschäftlichen Aktivitäten hinaus engagiert sich das Unternehmen stark in der lokalen Gemeinschaft. Dies zeigt sich in Form von Aufräumaktionen, freiwilliger Arbeit und Spenden.

Die Brauereien Mont-Noble und Bratis in Saxon ermöglichen ein Bier nach Kundenwunsch (Name, Farbe, Alkoholgehalt, Bitterkeit usw.) für Firmenfeiern oder Veranstaltungen zu personalisieren.

Die Bio-Brauerei Malternative in Martigny setzt sich ihrerseits für eine Kreislaufwirtschaft ein. In einer Mikrobäckerei wird der Treber, der Gerstenrückstand aus der Bierwürze, zu Crackern verarbeitet.

Quelle: Pixabay

 

In Savièse versucht ein Winzer-Winzer sogar, ein ultra-lokales Bier herzustellen, das mit lokal geerntetem Hopfen produziert wird. Die Versuche mit seiner Produktion begannen in diesem Jahr.

Die in den Reisezielen organisierten Veranstaltungen tragen ebenfalls zur Förderung dieser lokalen Produkte bei. So hat der Ferienort Nendaz mehrere Jahre in Folge «Les brasseurs font du ski» vorgeschlagen, eine dreitägige Veranstaltung, bei der man am Fusse der Pisten französischsprachige Craft-Biere entdecken kann.

 

 

Quellen:

Maltsethoublons.com, Le point sur le marché brassicole européen, 16 septembre 2020.

Olivier Faure. « Le Tourisme brassicole : une filière en cours de structuration. » Revues-Espaces Mars-Avril n°353, p.94-99.

Randos Bière en Suisse, https://randosbiere.com/suisse/, consulté le 26 août 2021.

Tour Hebdo, Le Gard, aussi, veut développer une véritable Route des Brasseurs, 17 août 2021

Nouvel Obs, Le tourisme « brassicole », voyage au pays de la bière, 8 juillet 2020.

24Heures.ch, Confinés, les Suisses boivent plus de bières, 18 avril 2020.

Association suisse des brasseries, https://biere.swiss/, consulté le 26 août 2021.

Administration fédérale des douanes, le marché suisse de la bière en Suisse, 22 janvier 2021

HTR, Les bières romandes à l'honneur à Nendaz, 2 mars 2020

Dr Margarita Cruz, EHL Insights, Tourisme brassicole : savourer le boom de la bière en Suisse, consulté le 2 septembre 2021

Patrick Ferrari, Le Nouvelliste, Vers une bière 100% locale: ce vigneron-encaveur saviésan cultive son… houblon, 11 août 2021