CO2-Ausstoss: Touristen besteuern oder umweltbewusste Besucher belohnen?
Kritik an der CO2-Kompensation
Eines der häufig verwendeten Mittel, um sich grün zu geben, ist die berühmte CO2-Kompensation, deren Wirksamkeit nach wie vor sehr umstritten istIhre Wirkung auf die Senkung der Emissionen ist laut Wissenschaftlern oft nicht nachprüfbar. Ein Artikel der Zeitung The Guardian besagt, dass das Pflanzen von Bäumen in südlichen Ländern zur Kompensation von Emissionen keine positive Wirkung auf den Planeten habe.
Darüber hinaus ist die Buchführung über die CO2-Bilanz und deren Ausgleich Gegenstand von Debatten, was die Gefahr eines Imageschadens birgt, da ein Teil der Öffentlichkeit verstanden hat, was Greenwashing ist. Das Filmfestival von Cannes hat gerade unfreiwillig eine bittere Erfahrung gemacht. Ein Schweizer Unternehmen für Emissionsgutschriften soll seine Bilanz künstlich aufgebläht haben, sodass das Festival gezwungen war, sich vor der Presse zu erklären. Und es scheint, dass eine solche Praxis nicht selten ist, was die Glaubwürdigkeit dieser Zertifizierungsmassnahmen untergräbt.
Der Grossteil des freiwilligen Marktes für diese Art von Projekten wird von grossen Unternehmen verwaltet, die Projekte unterstützen, welche weit von den lokalen Realitäten entfernt sind. Sollte man also mit dem CO2-Ausgleich aufhören? Für einige Experten lautet die Antwort eindeutig nein, trotz der Tatsache, dass die Angelegenheit komplex bleibt. Sie sind der Meinung, dass die Kompensation durchaus ihren Platz in einer verantwortungsvollen Reisepolitik haben kann, aber nur unter bestimmten Bedingungen. Sie darf sich nur auf die unvermeidbaren CO2-Emissionen beziehen, mit anderen Worten, auf die, die nicht verhindert werden können, denn man muss ja leben... und unweigerlich verschmutzen.
Ein letzter Punkt: Wenn man von Kompensation spricht, denkt man spontan daran, Bäume in einem fernen tropischen Land zu pflanzen - eine klassische Strategie, die von den Filmfestspielen von Cannes verfolgt wurde, die sich an einem Projekt gegen die Abholzung in Simbabwe beteiligten. Doch wie wir gesehen haben, kann diese Strategie leicht schiefgehen, und vor allem gibt es andere Möglichkeiten, seine Emissionen zu kompensieren.
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CO2-Kompensation für Einheimische: Touristen finanzieren Wärmepumpen in Juneau, Alaska
Die 31.000 Einwohner zählende Stadt Juneau ist stolz auf ihr CO2-Ausgleichsprogramm. Hier geht es ausnahmsweise einmal nicht darum, fragwürdige Projekte in Entwicklungsnationen zu finanzieren, um mit gutem Gewissen sein Öl zu verbrennen.
Etwa 1,5 Millionen Touristen kommen jedes Jahr mit Kreuzfahrtschiffen nach Juneau, um die Hauptattraktion des Ortes zu besichtigen: den Mendenhall-Gletscher, der seine Eisberge ins Meer wälzt. Ein garantiertes Spektakel. Um all diese Touristen anzulocken, müssen fossile Brennstoffe verbrannt werden, was gerade zu seinem Rückgang beiträgt.
Um einen Teil dieses CO2 abzuschwächen, werden diejenigen, die Wale beobachten oder den Gletscher besuchen, gebeten, ein paar Dollar zu zahlen, sozusagen einen Aufschlag, um ihre Emissionen zu kompensieren. Der Handelist freiwillig.
Das Geld geht an den Alaska Carbon Reduction Fund, doch anstatt Gutschriften für ein weit entferntes (und zweifelhaftes) Kompensationsprojekt zu kaufen, gibt die gemeinnützige Organisation das Geld für die Installation von Wärmepumpen aus und richtet sich dabei gezielt an Einwohner, die auf Ölheizungen angewiesen sind und deren Einkommen weniger als 80 % des lokalen Medianeinkommens beträgt. Das Ergebnis ist eine tatsächliche Verringerung der Emissionen und eine niedrigere Energierechnung für die Bewohner mit schwachen Einkommen. Die Initiatoren des Projekts sind der Ansicht, dass trotz des Reputationsschaden, den der CO2-Ausgleich in letzter Zeit erfahren hat, der Fokus auf Wärmepumpen und die Tatsache, dass auf lokaler Ebene gearbeitet wird, für Transparenz und Rechenschaftspflichtsorgt. Es handelt sich um Kohlenstoffkosten, mit denen sich die Menschen identifizieren und die sie verstehen können.
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Einen Wermutstropfen gibt es jedoch. Wenn sich die Kreuzfahrtschiffe in das Programm einbeziehen liessen, könnten die Emissionen von Juneau viel stärker reduziert werden, doch diese Schiffe sträuben sich bislang. Für Kreuzfahrtunternehmen bedeutet die Teilnahme an einem Ausgleichsfonds, dass eine dritte Partei diesen verifiziert werden muss. Für die Initiatoren des Projekts sind die Kosten für einen grossen, weltweit tätigen Zertifizierer für freiwillige Gutschriften jedoch unerschwinglich, und außerdem ist das Vertrauen nicht sehr hoch. Solche Zertifizierungsstellen können einen regelrechten Imageschaden verursachen, wie man dieses Jahr bei den Filmfestspielen in Cannes gesehen hat. Einige glauben, dass eine Welle der Unterstützung durch die Kleinunternehmen in Juneau den Unterschied ausmachen und die Kreuzfahrtgesellschaften dazu bringen könnte, bei diesem innovativen, auf die lokale Bevölkerung ausgerichtete Projekt an Bord zu gehen.
CO2-arme Besucher werden finanziell belohnt
Als Gegenentwurf zum CO2-Ausgleich, bei dem der Tourist zahlt, um sich eine Tugend zu erkaufen, wie böse Zungen sagen würden, experimentieren französische Reiseziele mit einem anderen Ansatz, bei dem der Reisende für sein „kohlenstoffarmes“ Verhalten finanziell belohnt wird. So setzt die Normandie auf sanfte Mobilität und bietet Besuchern, die mit Zug, Bus oder Fahrrad anreisen, Vorzugspreise für lokale touristische Aktivitäten an. Nicht weniger als 70 Anbieter von touristischen Aktivitäten haben sich der Initiative für kohlenstoffarme Tarife angeschlossen, die den umweltbewusstesten Reisenden einen Preisnachlass von 10% bis 50% ermöglichen.
Haut-Béarn in den Pyrenäen will seinerseits Touristen, die weniger Energie verbrauchen, mit der App Reevolt belohnen. Tatsächlich werden die Gäste der Partnereinrichtungen, die sich für die energieeffizientesten Verbrauchsoptionen entscheiden, finanziell belohnt. Das Geld steht in einem Finanztopf zur Verfügung und kann in Ladenketten ausgegeben werden, von denen einige am Zielort vertreten sind. Die Anreizmechanik ist gut durchdacht. Durch das Scannen des QR-Codes, der in den Zimmern der Partnerhotels angebracht ist, werden dem Nutzer automatisch 10 Euro auf seinem Konto gutgeschrieben.
Referenzen
Fabrice Delaye. Le Festival de Cannes sacrifie sa collaboration avec le leader suisse des crédits carbone. Heidi.News, 26 mai 2023
Gregory Bustori. Festival de Cannes 2023; les organisateurs répondent à la polémique sur un possible « greenwashing », 25 mai 2023
Patrick Greenfield. Revealed: more than 90% of rainforest carbon offsets by biggest certifier are worthless, analysis show. The Guardian, Wed 18 Jan 2023
Rédaction L’Echo Touristique. Voyages : faut-il arrêter la compensation carbone ? L’Echo touristique, 10 juillet 2020
Sarah Sermondadaz. Histoire des crédits carbone : vie et mort d’une fausse bonne idée. The Conversation, 6 septembre 2023
Taylor Kate Brown. In Juneau Alaska, a carbon offset project that’s actually working. Grist, January 4, 2024