Kleinere Wintersportorte in den Bergen

StationDeSki SportDHiver

Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit in einem reifen Markt

Zahlreiche Schweizer Bergbahnunternehmen befinden sich in einer finanziell schwierigen Situation. Doch es gibt Lösungen, auch für die kleineren Betriebe: Auch sie können wettbewerbsfähig bleiben. Wir möchten als Beispiele drei kleine Wintersportorte in Frankreich vorstellen, denen es gelungen ist, sich gegen die Konkurrenz der bekannten Tourismusorte durchzusetzen.

„Pistenkilometer allein machen nicht glücklich; man muss den Schnee erleben können.“

Jean-Marc Silva, Direktor von France-montagnes, meint, dass kleinere Wintersportorte sich heute durchsetzen können, wenn sie gute Qualität zu einem fairen Preis anbieten und zum Beispiel:

  • Emotionen wecken,
  • neue Aktivitäten anbieten,
  • ergänzende Angebote erfinden,
  • die Umwelt berücksichtigen.

Die Zeit, in der sich alles ums Skifahren drehte, ist vorbei. Heute will man zwar immer noch Skilaufen, aber das Drumherum ist genauso wichtig.  Skipisten sind der Lockvogel, aber Après-Ski-Angebote, Ambiente, Nebenaktivitäten und Zusatzdienstleistungen spielen eine ganz wichtige Rolle. „Pistenkilometer allein machen nicht glücklich, man muss den Schnee erleben können.“

Kleineren Wintersportorten in Frankreich ist es gelungen, sich erfolgreich abzuheben und sich im Konkurrenzkampf gegen weltbekannte Skiorte durchzusetzen. Nischenprodukte und Ursprünglichkeit helfen, sich von den Schwergewichten im Wintertourismus zu unterscheiden und durch Anderssein erfolgreich zu sein. Jean-Marc Silva, Direktor von France-montagnes, hat am 18. September 2014 am Forum Alpinum in Boario (Italien) drei Beispiele vorgestellt.

Sainte-Foix, ein kleiner Wintersportort mitten unter den grossen, hat es auf Luxuskunden abgesehen.

Sainte-Foy liegt in den französischen Alpen, umgeben von den bekanntesten Skigebieten der Tarentaise (Val d’Isère, Tignes, Les Arcs, La Plagne, La Rosière). Es trägt den Spitznamen „Kleiner Däumling der Tarentaise“, kann aber mit 41 Pistenkilometern für Alpinskilauf und gesicherten Hängen für das Tiefschneefahren aufwarten. Das Unterkunftsangebot liegt im Luxussegment: 3500 Betten im 4 bis 5 Sterne-Bereich. Das Skigebiet ist nach Norden ausgerichtet und garantiert damit traumhaften Pulverschnee, den man auf drei markierten und durch Bahnen erschlossenen Free-Ride-Strecken geniessen kann. Der Ort hat seine eigenen Skilehrer und Führer, die Touristen liebend gern in den Tiefschnee begleiten.

Photo1 639X403

80% der Kunden kommen aus dem Ausland, wovon 60% aus Grossbritannien. Der Anteil der französischen Kundschaft liegt bei lediglich 20%. In Zeiten angespannter internationaler Beziehungen bedeutet diese Abhängigkeit von ausländischer Kundschaft zwangsläufig ein Risiko. Trotzdem hat der Wintersportort beschlossen, aus seinen bescheidenen Dimensionen bewusst eine Stärke zu machen, und tatsächlich halten seine Kunden dem Wintersportort die Treue. Sainte-Foix ist es gelungen, mit viel Geschick dem „Basecamp-Syndrom“ auszuweichen, d.h. die Skifahrer missbrauchen den kleinen Skiort nicht einfach, um von hier aus in berühmte Skigebiete hinüber zu gelangen. Sainte-Foix hat sich bewusst als kleiner Luxus-Skiort positioniert, und es ist ihm gelungen, „klein aber fein“ den grossen Nachbarn die Stirn zu bieten.

Autrans: Nordische Spezialitäten auf höchstem Niveau

Gemäss einer am 7. Januar 2015 veröffentlichten Pressemitteilung haben Autrans und Méaudre beschlossen, sich zu einer gemeinsamen Feriendestination zusammenzuschliessen, so dass sie ihre Promotionstätigkeiten künftig bündeln können. Beide Orte waren bereits seit mehreren Jahren für nordische Spezialitäten bekannt und boten zusammen Langlaufloipen von insgesamt 180 km.

Mit 6000 Betten, 18 Pisten für den Alpinskisport und 130 km Langlaufloipen ist Autrans ein Vorzeigeort der französischen Gegend Vercors. Autrans hat beschlossen, fortan nicht mehr das Langlaufen anzupreisen, sondern die Kommunikation auf „nordische Aktivitäten“ auszurichten. Im Vordergrund stehen dabei Erlebnisse. Bereits seit 31 Jahren organisiert Autrans das „Festival international du film de montagne“ und das Langlaufrennen „La Foulée Blanche“ findet sogar schon seit 40 Jahren statt. Während einer Woche finden sich dann 10’000 Personen aller Langlaufstärken zum Wettkampf ein. Im Sommer ist Autrans Schauplatz eines Mountain-Bike-Rennens (Transvercors) und eines Nordisch-Walking-Events (Euro Nordic Walk). 50% der Gäste kommen aus der weiteren Umgebung – Rhône Alpes, Grenoble und Valence – 25% aus der Provence und 25% aus anderen Gegenden Frankreichs. Das bedeutet, dass die Kundschaft zu 100% aus französischen Gästen besteht. Die Gästezahl ist im Winter und im Sommer in etwa die gleiche. Diese Ausgewogenheit zu finden, bemühen sich viele andere Tourismusorte in den Alpen auch, doch es gelingt ihnen selten. Autrans hat es erreicht: Die Touristen kommen im Sommer und im Winter.

Allerdings ist Autrans dem Risiko ausgesetzt, Opfer seines Erfolgs zu werden und zu sehr auf den nordischen Aktivitäten zu beharren (Langlauf, Schneeschuhwandern, Hundeschlittenfahren). Der Klimawandel lauert und könnte diesem Fremdenverkehrsort, der auf einer Höhe von lediglich 1000 bis 1700 m liegt, schwer zu schaffen machen. Dieses Jahr musste die 37. Ausgabe der „Foulée Blanche“ wegen Schneemangels gestrichen werden. Doch die Stadt Grenoble liegt nur 35 km entfernt, und so gibt es zahlreiche Entwicklungsmöglichkeiten: Diversifikation des Kulturangebots, Vier-Jahreszeiten-Promotion, aber auch Gesundheitsförderung und Wellness.

Photo 2 639X211

Zunächst einmal könnte Autrans die Tatsache nutzen, dass Alpinski als teure Sportart gilt. Ein Kundentransfer ist durchaus vorstellbar: Gäste, die sich mondäne Skiorte nicht mehr leisten können, wenden sich kleineren Wintersportorten zu.  Mit einem Angebot, das sowohl Alpinskifahren und Langlaufen als auch andere nordische Aktivitäten berücksichtigt (Hundeschlittenfahren, Schneeschuhwandern usw.) bietet Autrans für Familien alles, was es braucht. Es hat mit seinen Outdoor-Aktivitäten auch viel Erfolg, nur müsste man es in Zukunft schaffen, vom Gratisangebot wegzukommen und hier und da einen Beitrag zu verlangen. Die nordischen Aktivitäten würden das durchaus rechtfertigen, was die lokalen Anbieter übrigens auch denken. Man könnte zum Beispiel für neue Dienstleistungen im Bereich Schneeschuhlaufen etwas verlangen oder bei den Hundeschlittenführern eine Gebühr zugunsten des Fremdenverkehrsorts einziehen.

Photo 3 637X358

Saint-Pierre de Chartreuse: Trail-Hochburg und Skiwander-Paradies

1800 Betten, 35 km Pisten für den Alpinskisport, 70 km Langlaufloipen, 60 km Schneeschuhtrails – Saint-Pierre de Chartreuse liegt in einem voralpinen Gebirgsmassiv, in dem Trails schon seit längerem Tradition haben. Den „Trail du grand-duc“ gibt es bereits seit 25 Jahren. Der Gegend gelingt es heute, aus der Entwicklung der Outdoor-Aktivitäten Gewinn zu schlagen, denn diese sprechen vor allem sozioprofessionell besser gestellte Gesellschaftsschichten an (Unternehmer, Gewerbetreibende, höhere Angestellte), unabhängig davon, ob sie in den Bergen wohnen oder nicht. Saint-Pierre de Chartreuse möchte sich zur europäischen Trail-Hochburg aufschwingen. Ziel ist es, dem breiten Publikum Trail-Running und Ski-Wandern schmackhaft zu machen – ganz unkompliziert und ohne dass dazu eine Ausrüstung angeschafft werden muss. Zusätzliche Dienstleistungen wie Coaching werden angeboten. Der Impuls für diese Neuausrichtung des ganzen Wintersportorts ging von RaidLight aus, einem lokalen Unternehmen, das im Verkauf von Trail- und Bergmaterial tätig ist.

Ein anderes erklärtes Ziel des Orts ist die Erweiterung seines touristischen Angebots. Man möchte zum Beispiel Alpinskifahrer mit dem Vorhandensein ergänzender Aktivitäten beruhigen. Synergien mit lokalen Betrieben sollen geweckt und neue attraktive Produkte geschaffen werden, die den natürlichen Reichtum der Gegend nutzen. So besteht bereits ein Fitness- und Wellness-Angebot mit finnischen Bädern und Sauna, wobei das zum Heizen verwendete Holz aus der Gegend stammt. Es handelt sich also um ein lokales Produkt, das auf einer innovativen Zusammenarbeit zwischen der Tourismusbranche und der lokalen Holzwirtschaft beruht. Um den Bekanntheitsgrad des Orts zu fördern, wurden zwei Marken lanciert: „Station de trail“ und „Espace ski de Rando“. Vorgesehen sind insbesondere:

  • ein Unterrichtsraum (Themen: Schnee, Material, Sicherheit, Naturschutz)
  • leicht zugängliche Übungsstrecken
  • Mietausrüstung zum Schnuppern (Skis, Sicherheitsset, Kleider)
  • ein LVS-Park (Übungsfeld für die Bedienung von Lawinenverschüttetengeräten)
  • ein Empfangsbereich

Photo 4 A 639X260

Photo 4 B 640X262

Photo 4 C 637X256

Trail-Running ist vermutlich mehr als ein Modesport, denn richtig ausgeübt, ist der Sport sehr vielfältig und kann alle Gesellschaftsschichten interessieren. Die Entwicklungsmöglichkeiten sind enorm, da das Wachstum sich auf eine Reserve von Sportlern stützen kann, die vom Running kommen, d. h. auf Menschen, die an Stadtläufen starten oder sonst auf Asphalt laufen. Allein in Frankreich gibt es schätzungsweise 10 Millionen solche Läufer.

Photo 5 640X320

Positionierung verteidigen und Auswirkungen auf die Umwelt reduzieren

Abschliessend ist zu sagen, dass Diversifikation und Innovation die beiden Schlüsselbegriffe sind, um die Erwartungen der Kunden zu erfüllen. Man muss auf Qualität setzen, nicht auf Quantität. Für die kleineren Wintersportorte ist es wichtig, ihre Positionierung zu verteidigen, wenn sie sich von den grossen abheben wollen. Allerdings braucht es auf jeden Fall ausreichend Schnee, damit diese Wintersportarten überhaupt möglich sind. Ein weiterer Risikofaktor sind die Umwelteinflüsse; hier wäre eine genauere Analyse fällig. Trail-Running wird nämlich auch als Event verstanden und kann punktuell Tausende von Teilnehmern anziehen. Also gilt es, die negativen Auswirkungen auf die Natur so gut als möglich einzudämmen, die lokale Bevölkerung und insbesondere die Landwirte nicht zu verärgern, die lokale Identität bei den Bewohnern zu betonen und zu stärken. Diese Bedingungen müssen erfüllt sein, damit ein Event wirklich gelingt!

Nachweise

Autrans-Méaudre: une destination touristique unique. http://www.montagnenews.fr/article/autrans-meaudre-une-destination-touristique-unique?mn424

France-Montagnes http://en.france-montagnes.com

Forum Alpinum http://www.forumalpinum.org/fr

Sainte-Foix http://www.saintefoy-tarentaise.com/

Autrans http://www.autrans.com/

Saint-Pierre de Chartreuse http://www.st-pierre-chartreuse.com/ et http://www.skiez-en-decale.com/

RaidLight http://www.raidlight.com/en/

Station de trail http://www.stationdetrail.com/?lang=fr

Espace de ski rando http://www.espace-skiderando.com/

- See more at: http://www.tourobs.ch/de-de/analysen/analysen-des-observatoriums/produkten-_-aktivitaten.aspx?action=detail&id=8376#sthash.p0ZzNoIV.dpuf