Gamen à gogo

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Synthese vom 22. Juni bis 6. Juli 2016

Wildes Pokémon auf dem heutigen Menüplan.

1996 von Satoshi Tajiri ins Leben gerufen, bricht Pokémon heute alle Rekorde. Das Spiel, das in den 1990er Jahren sehr populär war, schlägt heute viel Profit aus der erweiterten Realität (Augmented Reality). Damit weckt es grosses Interesse, denn die Version Pokémon Go ermöglicht ganz neue Spielerfahrungen. Mit virtuellen, dem Publikum gut vertrauten Kreaturen spielt es sich nunmehr locker im Freien, wohingegen das alte Video-Game die Spieler noch daheim an den Computer fesselte. Pokémon Go bringt im Handumdrehen fertig, was die Mütter der Spieler während 20 Jahren nicht schafften: gespielt wird jetzt draussen! Das Prinzip ist einfach: Es geht im Spiel darum, Pokémons zu fangen. Durch Vibrationen signalisiert das Smartphone seinem Besitzer die Nähe eines Pokémons. Gleich darauf erscheint das wilde Pokémon auch auf dem Bildschirm und der Spieler muss mit dem Finger versuchen, es zu erwischen, bevor es wieder verschwindet. Einige Kreaturen sind schwieriger einzufangen als andere. Virtuelle Spielgegenstände, können das Einfangen von Pokémons erleichtern. Die Farbe der Zielscheibe, in dem sich das anvisierte Pokémon befindet, ist ein Hinweis auf den Schwierigkeitsgrad seiner Gefangennahme. Gewisse Kreaturen haben einen bevorzugten Lebensraum. So halten sich Wasserpokémons in der Nähe von Gewässern auf, andere leben in Parks.

Manchmal muss man intensiv nach den Gestalten suchen und es braucht je nachdem einiges an Spieltechnik, um sie zu erwischen. Aber im Grunde ist und bleibt das Spiel eine Schnitzeljagd im grossen Stil, welche die reale Welt einbindet und eine Geschichte heraufbeschwört, auf die die Spieler Einfluss nehmen können. Einfach – und sehr effizient: Kaum eine Woche nach der Lancierung des Spiels in den USA, Australien und Neuseeland hatte die Pokémon-Go-App bereits mehrere Millionen Dollar eingespielt. Für Google und Apple ist es gegenwärtig das rentabelste Spiel unter den zum Herunterladen angebotenen Apps. Mehr als 10 Millionen Benutzer von mobilen Geräten sind bereits für die App schwach geworden. Nebeneffekt an der Börse: Die Nintendo-Aktie hat um 25% zugelegt.

Pokémon Go ist aus einer Zusammenarbeit von Nintendo, The Pokemon Company und Niantic hervorgegangen. Es ist viel mehr als nur ein Spiel; es ist eine kommerzielle Goldgrube. Mit speziellen Pokémon-Events, zu denen sich Spieler bei seinen Verkaufspunkten treffen, hat zum Beispiel GameStop, ein Videospiel-Anbieter in den USA, seine Umsatzzahlen verdoppelt. Auch der Tourismus kann Gewinn aus der Pokémon-Welle schlagen. Tatsächlich geben gewisse Spieler an, dass sie sich dank Pokémon Go neuerdings für die Sehenswürdigkeiten ihrer eigenen Stadt interessieren oder dass sie ihnen unbekannte Orte besuchen wollen. Abgestützt auf dieses Wissen identifiziert Bayern Tourismus regelmässig die interessantesten Orte für den Pokémon-Fang im Land und veröffentlicht sie auf dem Bayern-Blog. Die Reiseveranstalter dürften kaum lange zögern, um zu versuchen den Markt an sich zu reissen, etwa mit Pokémon-Safaris. In einigen Restaurants und Hotels verbergen sich Pokéstops, die dazu benutzt werden, Pokémon-Jäger mit Special Offers anzulocken. Die Hotelgruppe Mantra etwa offeriert Pokémon-Spielern einen Minisnack beim Kauf eines Getränks an der Bar ihrer Häuser in Sydney und Melbourne. Dank einem Pokéstop lässt sich der Run auf die App auch sonst in Geld umsetzen, denn Pokéspots steigern das Aufkommen von Fussgängern, und diese bringen klar das Potenzial mit sich, die Ausgaben in der realen Welt anschwellen zu lassen. Das British Museum, das einen Pokéstop in der Parthenon-Gallery beherbergt, hatte das schnell begriffen. Anders gesagt: Die Museumswelt hat sich bei der erweiterten Realität nicht lange geziert. Die Entwickler des Spiels sind sich des kommerziellen Aspekts sehr wohl bewusst; sie dürften interessierten Geschäften, Bars, Hotels und anderen Leistungsträgern anbieten, auf den Lageplänen der Spieler einen Eintrag zu schalten – gegen Bezahlung, versteht sich.

Dadurch, dass das Spiel die User in eine virtuelle Welt entführt, wirft es aber auch viele Fragen auf und löst echte Besorgnis aus. Man denke nur an die zahlreichen Verkehrsunfälle, die von Spielern verursacht wurden, weil sie abgelenkt waren. Einen zunächst hoch erstaunten Flüchtling aus Syrien hat die von Pokémon Go ausgelöste Spielwut dazu veranlasst, als Reaktion ein Nachahmerprodukt zu erfinden, in dem nicht virtuelle Kreaturen gejagt werden, sondern Unterkünfte und Schulbücher – Güter, die in der Welt, aus der er kommt, rar geworden sind, obschon sie eigentlich zu den Grundrechten gehören. Für den syrischen Webdesigner war dies eine Gelegenheit, der Realität Ausdruck zu verschaffen, die seine in der Heimat gebliebenen Mitbürger täglich erleben.

Einmal Gast, immer Gast: Alle werden Botschafter.

In Frankreich hat sich das Bassin d’Arcachon, ein Küstenstrich in der Gegend von Bordeaux, dazu entschlossen, auf die Gaming-Welle aufzuspringen. Für einmal werden dabei die temporären Arbeitskräfte der Sommersaison hochstilisiert, ja sie werden zu eigentlichen Botschaftern. Mit dieser von der Mopa (Mission des offices de tourisme et pays touristiques d’Aquitaine) getragenen  Kampagne namens Good morning saisonniers werden 4000 junge Saisonangestellte anvisiert, um über sie andere junge Leute zu erreichen, die in der Bucht von Arcachon ihre Ferien verbringen. Eine Facebook-Gruppe wurde gebildet, um Ratschläge zu verbreiten – wie man zum Beispiel vor Ort zu einer Unterkunft kommt – aber auch um mit einem Quiz Wissen über die Region zu vermitteln. Das Bilden einer Community, um die Gäste zu informieren, ist auch der Ansatz, den VisitScotland verfolgt. Mit der Plattform iKnow Scotland wird eine Verbindung geschaffen zwischen den potenziellen Besuchern und den Einwohnern Schottlands, die als dessen Botschafter fungieren. Vorgesehen ist, dass sich in einem zweiten Schritt auch professionelle Anbieter der Tourismusbranche der Plattform anschliessen können, auf der gute Ideen direkt via Chat verbreitet werden. Die Gäste können den Gastgebern somit noch und noch Fragen stellen. Sie können sich auch einen Reiseplaner zunutze machen und es den Daheimgebliebenen ermöglichen, virtuell mit ihnen durch ganz Schottland zu reisen. Auf diese Weise kommt der „Geist von Schottland“ in der ganzen Welt herum.