Die Spannweite der Möglichkeiten ist gross, diejenige der Herausforderungen ebenso

SegmentDeClientele Hotellerie AubergeDeJeunesse DeveloppementDurable

Synthese vom 15. April bis 20. Juni 2016

Verbesserungspotenzial für die Hotellerie

Mit seinem Konzept „Forever young“ nimmt das Tourismusbüro Genf die Kundschaft der junggebliebene Senioren ins Visier. Dabei gäbe es einen wichtigeren Markt, nämlich den barrierefreien Reisemarkt, der mit 786 Milliarden Euro allein für die Europäische Union von beeindruckender ökonomischer Bedeutung ist. Sein Wachstumspotenzial bis 2020 wird auf 75% geschätzt. Um für diese spezifische Kundschaft die Sichtbarkeit des Schweizer Hotelangebots zu verbessern, hat die Stiftung Claire & George zusammen mit HotellerieSuisse und Schweiz Tourismus ein neues Projekt lanciert. Innerhalb von zwei Jahren wollen die Träger dieses Innotour-Projekts standardisierte Informationen zur Barrierefreiheit in den Hotels erfassen, um so die spezifischen Dienstleistungen der behindertengerechten Hotels auf den Websites swisshoteldirectory.ch und Myswitzerland.com veröffentlichen zu können. Zuvor legte die Claire & George Stiftung zusammen mit Behindertenorganisationen und Vertretern der Bereiche Alter und Pflege etwa 25 Kriterien fest, um genau darüber informieren zu können, für welche Behinderungen welchen Grads die Infrastruktur eines Hotels und das vorgesehene Betreuungspersonal geeignet sind.

Aber die Hotellerie bemüht sich nicht nur vermehrt um die Behinderten, auch beim Abfall wird man sich eines Problems bewusst. Das zweite Monitoring zur Nachhaltigkeit in der Hotellerie von HotellerieSuisse weist darauf hin, dass in Ermangelung umsetzbarer Massnahmen und weil man nicht weiss, wo man überhaupt anfangen soll, um die Verschwendung einzudämmen, unter anderem auch das Potenzial zur Vermeidung von Nahrungsmittelabfällen unzureichend genutzt wird. Auf internationaler Ebene zeigt zudem Booking.com in seinem „Sustainable Travel Report“ mit dem Mahnfinger auf die fehlende Kommunikation, der sich umweltbewusste Hotels schuldig machen, indem sie ihre Anstrengungen nicht besser bekannt geben. Tatsächlich sagten nur 5% der Umfrageteilnehmer aus, es sei einfach, umweltbewusst zu reisen. Ganze 38% wünschten sich klarere Informationen auf den Websites mit Online-Reservationsmöglichkeiten, so dass man die ökologischen Angebote besser identifizieren könnte. Schliesslich wäre für 41% der Befragten eine internationale Zertifizierung wie zum Beispiel das Ecolabel EU, das nachhaltige Beherbergungsangebote auszeichnet, eine gute Entscheidungshilfe.

Auch bei den Reiseabsichten birgt das Zahlenmaterial interessante Informationen: 62% der befragten Personen tragen sich mit dem Gedanken, im Jahr 2016 eine nachhaltige Unterkunft in Anspruch zu nehmen, und 50% interessieren sich für eine umweltbewusste Destination, obschon sie bei dieser ausser dem ökologischen Aspekt eigentlich keinen weiteren Vorteil für ihren Aufenthalt sehen. In Anbetracht des Trends, der sich hier abzeichnet, beabsichtigt Booking.com, die Suchoptionen auf seiner Website entsprechend anzupassen. Den heutigen Wünschen der Kundschaft soll Rechnung getragen werden, indem man ihnen das Aufspüren von Destinationen, die sich dem umweltbewussten Tourismus verpflichten, vereinfacht. Bei diesem Schritt muss die weltweit führende Online-Reservations-Plattform für Hotels und andere Unterkünfte allerdings gut darauf achten, die Bemühungen im Bereich der Nachhaltigkeit transparent zu kommunizieren. Sonst könnte Booking.com leicht zur verstärkten Skepsis der 13% der Umfrageteilnehmer beitragen, die den Wahrheitsgehalt der Nachhaltigkeitsversprechen jetzt schon bezweifeln.

Diese Skepsis ist übrigens nicht das einzige Gegenargument, das einige Kunden angeben, um zu erklären, dass sie sich nicht für verantwortungsbewusste Unterkünfte interessieren. Zu teuer und weniger gut ausgestattet – das sind weitere Argumente, die von respektive 22% und 10% der Befragten angeführt werden. Übrigens wird der „angepasste Komfort“ – ein Konzept, bei dem das Niveau des Komforts (Essen, Heizung…) sich an den lokalen Gegebenheiten (Klima, Höhenlage…) ausrichtet – von 59% der Teilnehmer an einer von den AccorHotels durchgeführten Studie abgelehnt. Für die meisten Kunden ist Komfort also unabdingbar. Aus der gleichen Studie geht hervor, dass beim Preis durchaus etwas Luft nach oben vorhanden wäre, denn drei Viertel der Befragten akzeptierten die Vorstellung, etwas mehr zu bezahlen. Es ist interessant, dass die naturnahen Aktivitäten, das ortsverbundene Erlebnis und die Authentizität noch so verlockend sein können – beim Komfort sind die Kunden nicht zu Abstrichen bereit. Der Anspruch auf Komfort gilt für die nachhaltige Hotellerie genauso wir für den klassischen Bereich und, eher erstaunlich, auch für Gruppenunterkünfte und alternative Angebote, z. B. dasjenige von Airbnb. Luxus in Jugendherbergen? Durchaus: Er drückt sich auf Ebene des Designs, aber auch durch mehr Intimität aus. Das verstaubte Bild von Schlafsälen mit 15 Plätzen in aufeinander gestapelten Betten ist völlig überholt. Luxus wandelt sich, wie Filip Boyen von Small Luxury Hotels of the World (SLH) erklärt. Noch ein Wort zu den Jugendherbergen: Mehr Intimität heisst hier absolut nicht, dass das Hauptziel der Gäste von Jugendherbergen sich verändert hätte. Nach wie vor geht es diesen Kunden vornehmlich darum, mit anderen Reisenden Bekanntschaft zu machen. Phocuswright hat übrigens festgestellt, dass bei 31% aller Gäste die Wahl der Unterkunft von einem gesellschaftlichen Aspekt geprägt ist.

Gesellschaftliche Aspekte sind denn auch der Grund für Veränderungen in den Eingangshallen, wie die Hoteliers bestätigen. Früher hatten Hotel-Lobbies eine Empfangsfunktion, mehr nicht. Heute werden sie als Ort der Begegnung genutzt, aber auch Entspannen, Essen oder Arbeiten sind Aktivitäten für die Lobby, diesen zunehmend offen gestalteten Raum, der sich an häuslichen Gepflogenheiten orientiert. Verbunden mit Smartphone-Check-in und Bezahlung über mobile Geräte, läuten die veränderten Kundenerwartungen wohl das Ende der Empfangsdesks ein. Das neue Aussehen der Hotel-Lobby bringt gleichzeitig mit den Bemühungen, dem Kunden Erlebnis und Komfort zu bieten, auch eine Annäherung zwischen Hotellerie und Parahotellerie zum Ausdruck.

Airbnb, Mitglied der Welttourismusorganisation und Glied der Sharing-Economy

Gegenwärtig sind 15’500 Schweizer Objekte auf der Vermietungsplattform Airbnb ausgeschrieben. Gemäss einer Untersuchung von Wüest & Partner entspricht das 23% der Gesamtkapazität der Schweizer Hotellerie. In der Schweiz machen die grossen Städte – Zürich, Genf, Basel, Lausanne und Bern – zusammen 40% des Angebots aus. Fast 90% der Gastgeber mit einem Objekt in der Schweiz scheinen nur eine einzige Anzeige auf der Website eingestellt zu haben. Aber das Gespenst der Professionalisierung geht weiterhin um. Eine reale Herausforderung für die traditionelle Hotellerie stellen jedoch vor allem die über 60 Reise-Startups mit ihren Zusatzdienstleistungen dar. Auch sie liebäugeln übrigens mit Aibnb, dessen Angebot bei den Touristen offensichtlich Gefallen findet, bleiben doch Airbnb-Kunden im Durchschnitt 2.5 mal so lang am gleichen Ort wie Hotelgäste. Macht das der Hotellerie Angst? Vielleicht schon, aber den Hoteliers müsste eigentlich noch mehr Sorge bereiten, wie potenzielle Kunden die Situation einschätzen. Aus einem Bericht des „Pew Research Center“ geht nämlich Folgendes hervor: Die Hälfte der US-Amerikaner ist der Ansicht, dass das Teilen und kurzfristige Vermieten von Wohnraum legalisiert werden müsse und dass die Vermieter dafür keine Steuern zu entrichten haben sollen. An dieser Stelle sei an den 11. Mai 2016 erinnert, den Tag, an dem Airbnb der Welttourismusorganisation beigetreten ist, womit sein Platz in der Branche nunmehr offiziell bestätigt wäre. Als Mitglied der Organisation ist Airbnb fortan symbolisch auch in seinem Kampf für die Werte des Sharings legitimiert, dies zu einem Zeitpunkt, an dem es rund um das Unternehmen brodelt, weil eine restriktivere Reglementierung gefordert wird. Wir sind der Meinung, dass die gegenwärtigen Rivalitäten überwunden werden könnten, wenn für alle ersichtlich würde, welche Vorteile das Teilen mit sich bringt. Auf längere Sicht werden die Sharing-Economy und ihre Lösungsansätze wohl in die touristische Wertschöpfungskette integriert. Die Destinationen, die sich bis anhin im Hintergrund hielten, täten gut daran, bei diesem Integrationsprozess mitzuwirken. Angesichts ihrer Rolle bei der Planung und Entwicklung läge es eigentlich im Interesse der Marketingorganisationen der Destinationen, Partnerschaften mit den neuen Wirtschaftsakteuren aufzubauen.