Veränderungen der touristischen Realität

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Synthese vom 17. bis 29. Februar 2016

Segmentierung – der Feind des Guten?

Eine 2015 von der „Adventure Travel Trade Association“ (ATTA) durchgeführte Studie hat aufgezeigt, dass über die Hälfte aller Tour-Operators und Zielgebietsagenturen einen Baustein in ihre Rundreisen aufgenommen haben, der Gaumenfreuden verspricht. Nicht nur der Trend an sich sondern auch seine Stärke verleiten die Welttourismusorganisation (UNWTO) zum Gebrauch eines Superlativs: Der kulinarische Tourismus sei heute einer der dynamischsten Bereiche der Touristikbranche. Um der neuen Nachfrage der Kundschaft zu entsprechen, bereichern folglich Anbieter im Erlebnistourismus ihre Palette mit Abstechern in Gebiete, die mit kulinarischen Höhepunkten aufwarten können. Sie haben schnell begriffen, wie man die Geschichte von Regionen darstellen kann, deren Bewohner dank intensiver Arbeit und Insider-Wissen dem Boden geschmacklich einmalige Produkte abgewinnen. Im Lauf des Berichts wird dann aus einem Nahrungsmittel viel mehr als ein blosses Produkt, nämlich ein Stück Wissenschaft, ein Erfolgsbeweis, Zeuge von Tradition oder Teil einer Legende. Nahrung eröffnet tatsächlich mehrere Dimensionen und Zugang zu vielschichtigen Erklärungen, über das Ökosystem zum Beispiel – oder gar zur Immigration, die heute noch viel Knochenarbeit zu einer Landwirtschaft beiträgt, die sich sonst vom Menschen ziemlich entfernt hat. Aus pädagogischer Perspektive mit leicht militantem Anstrich verbindet sich der kulinarische Tourismus recht gut mit dem Erlebnistourismus. Solche Angebote, die Reisende zu einem neuen Engagement motivieren oder sie in einem bestehenden bestärken, werden oft von sich selbst versorgenden Gemeinschaften lanciert, die sich damit dem Tourismus zuwenden. Das bedeutet keineswegs, dass diese Urlaubsangebote sich vorwiegend an ein junges Publikum richten. Die älteren Generationen sind nämlich alles andere als homogen, und es lassen sich darunter durchaus Kandidaten für diese Art Aufenthalt finden. Vermutlich ist das Verhältnis zwischen Jung und Alt bei den Interessenten etwa ausgeglichen. Man hüte sich vor Marketingmassnahmen, die Senioren ausgrenzen, indem sie diese als undifferenziertes Magma von mehr oder weniger betreuungsheischenden „Alten“ betrachten! Umgekehrt muss man sich aber auch vor dem Jugendwahn in Acht nehmen. Es ist belegt, dass Mobilität und Reisetätigkeit mit zunehmendem Alter abnehmen. Es stimmt also, dass ältere Menschen weniger oft wegfahren, aber die durchschnittliche Aufenthaltsdauer nimmt zu – nicht nur die Vorliebe für Pauschalangebote und Paketlösungen. Dazu kommt, dass ganz abgesehen vom Mobilitätsverhalten die blosse Lebenserwartung aus dem Seniorentourismus ein Wachstumssegment macht. In Frankreich erwartet man für 2025 einen Zuwachs von 2,4 Millionen Senioren (62 bis 81 Jahre alt). Sie könnten der Tourismusbranche jährlich 71 Millionen zusätzliche Übernachtungen bescheren, was bei den touristischen Auslagen einer Zunahme von etwa 4 Milliarden Euro entspräche.

Unsere Bergwelt unter Beobachtung

Wie auch andere Fachleute der Branche hat sich Chris Thompson, Direktor von Ski Famille, bereits auf diese Entwicklung eingestellt: Er bietet für die Skiorte Les Gets, La Plagne und Les Menuires im französischen Savoyen Winteraufenthalte an, die Mehrgenerationen tauglich sind. Wenn aber so vielleicht die Zukunft für den Tourismus aussieht, dann zeichnet sich hier bestimmt nicht die Zukunft für den Skisport ab! Man betrachte nur die Satellitenbilder des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) oder die Temperaturkurve beim Permafrost, wie ihn das „Swiss Permafrost Monitoring Network“ (PERMOS) veröffentlicht. Nach unserem Verständnis sind die Klimagefahren ungleich grösser als diejenigen, die von vernetzten Geräten ausgehen und den Skischulen Konkurrenz machen. Glücklicherweise werden die tatsächlichen Gefahren von den Verantwortlichen in den Destinationen wahrgenommen. Viele von ihnen setzen sich vertieft mit den Problemen auseinander, wie zum Beispiel der Vorsitzende der Société des Trois-Vallées (S3V) in den französischen Alpen, Pascal de Thiersant. Nicht nur die Diversifizierung der Wintersportaktivitäten, zum Beispiel mit dem neuen Fatbike-Trend, sondern auch innovative Immobilienprojekte stehen im Zentrum der Überlegungen, die für die Zukunft eines Tourismusorts entscheidend sind. Da aber die internationale Konkurrenz nicht schläft, reicht es nicht, einfach neue Ideen einzubringen. Wie schon die Reisebüros müssen vielmehr auch die Destinationen ihre Präsenz in den sozialen Netzwerken ausbauen. Bereits sollen mehr als 60% der Reisebüros Instagram zu Marketingzwecken nutzen. Verbier hat nun beschlossen, seinen Rückstand in diesem Bereich aufzuholen. Dazu hat Verbier Promotion SA fünf Beeinflusser losgeschickt, die in Begleitung des Bergführers François Perraudin den Mont-Fort bezwingen sollen. Verbier erhofft sich davon einen Begeisterungssturm seitens der Instagrammer – immerhin zählt der Online-Dienst rund 500'000 Abonnenten. Mit dem Durchbruch der virtuellen Realität, der für das kommende Jahrzehnt prognostiziert wird, bleibt dem Tourismusmarketing nichts anderes übrig, als radikal innovativer zu werden. Mark Zuckerberg, der 2 Milliarden USD investiert hat, um Oculus VR zu übernehmen, vergleicht den nahenden Einfluss der virtuellen Realität mit demjenigen des Smartphones vor nicht allzu langer Zeit. Tatsächlich vermag Virtual-Reality eine vollständige Immersion heraufzubeschwören, die viel stärker wirkt als ein noch so schönes Bild.