Chinesische Touristen im Wallis

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Das Potenzial ist gross, aber es zu nutzen, erfordert ein Konzept, das je nach Region anders gestaltet werden muss.

China und der Alpentourismus

Mit einem Volumen von 102 Milliarden Dollar an Ausgaben für touristische Aktivitäten im Ausland hat China 2012 Deutschland, das zuvor den Titel des weltgrössten Herkunftsmarkts innehatte, den Rang abgelaufen. Kein anderes Herkunftsland hat im Lauf der letzten zehn Jahre ein so starkes Marktwachstum verzeichnet wie China und nichts weist darauf hin, dass sich das bald ändert. China stellt somit eine bedeutende Wachstumsquelle dar, insbesondere da der Wechselkurs zum Schweizer Franken sich negativ auf die Zahl der Übernachtungen auswirkt, die bis anhin von unseren traditionellen Herkunftsmärkten generiert wurden. Die Westschweizer Zeitung „Le Temps" scheint jedenfalls davon überzeugt zu sein, hat sie doch in einem im Februar 2013 erschienenen Artikel geschrieben: „Les Chinois s’érigent en sauveurs de l’industrie touristique suisse.“ (Die Chinesen werden zu Rettern der Schweizer Tourismusbranche).

Tatsächlich ist China bereits ein sehr wichtiger Herkunftsmarkt für die Region Vierwaldstättersee (mit Luzern) und auch für das Berner Oberland (mit Interlaken), doch im Wallis entfielen 2012 nur gerade 0,7% der Hotelübernachtungen auf Chinesen. Allerdings wächst auch hier der chinesische Marktanteil rasant: Seit 2005 haben die Logiernächte von Chinesen durchschnittlich um 22% pro Jahr zugenommen – in einer Zeit, in der die Hotelnächte insgesamt durchschnittlich um 1% pro Jahr abgenommen haben. Sollte der Trend sich weiterhin so fortsetzen, könnte China bereits im Jahr 2016 einen Anteil von 1,5% aller Hotelnächte ausmachen, was dem gegenwärtigen Marktanteil Italiens entspricht (ausschliesslich Hotellerie). Das nachfolgende interaktive Diagramm zeigt die Entwicklung der Walliser Hotelnächte von Chinesen im Vergleich zu den übrigen Gebirgsregionen der Schweiz, zur Schweiz insgesamt, sowie zu Österreich insgesamt und zum Tirol.

Chart

Im Wallis haben die chinesischen Logiernächte zwischen 2005 und 2012 um 310% zugenommen; diese Zunahme war grösser als diejenige für die ganze Schweiz (+276%). Unsere Darstellung zeigt die komentenhafte Entwicklung der von Chinesen gebuchten Hotelnächte im Berner Oberland. Der Zuwachs betrug dort 814% in 7 Jahren, was einer Steigerung von 37% pro Jahr entspricht. Vor allem ab 2009 war die Entwicklung besonders eindrücklich. Vor vier Jahren lag China mit 0,9% aller Logiernächte noch auf dem 14. Platz im Berner Oberland, 2012 stand der chinesische Marktanteil bereits bei 4,3%, und im Jahr 2013 werden die Chinesen vermutlich auf den 4. Platz vorrücken, so unheimlich schnell wachsen ihre Übernachtungszahlen. Bemerkenswert ist dabei, dass die Schweiz auf diesem Markt sehr viel besser abschneidet als Österreich. So generieren chinesische Touristen 2,5% der Übernachtungen in der Schweiz, aber nur 0,4% in Österreich, wobei die Zunahme dort in den letzten Jahren weniger schnell verlief als bei uns.

Verhalten der Chinesen auf Reisen

Die chinesischen Touristen verhalten sich anders als die Gäste, die unser Land traditionsgemäss besuchen. Chinesen unternehmen vor allem Gruppenreisen und besuchen generell mehrere europäische Länder anlässlich einer Reise in den Westen. Sie bleiben nicht lange am gleichen Ort; durchschnittlich dauert ihr Aufenthalt nur 1.3 Nächte. Sie sind typische Hotelkunden. Für das Wallis zum Beispiel ergibt eine Betrachtung der Unterkunft in Hotels, Chalets und Wohnungen, dass 2011 86% der Übernachtungen auf die Hotellerie entfielen. Chinesen haben den Ruf, sehr genau auf den Preis der Übernachtung und der Mahlzeiten zu achten, dafür aber beim Shopping äusserst ausgabefreudig zu sein. Wie wichtig Einkaufen für Chinesen ist, geht aus den Zahlen von Schweiz Tourismus hervor: Mit Ausgaben von CHF 350.- pro Tag stehen die Chinesen an der Spitze aller Touristen in der Schweiz, deren durchschnittliche Ausgaben sich nur auf CHF 176.- belaufen. Chinesen interessieren sich in erster Linie für Luxusartikel, insbesondere Uhren. Diese sind vorläufig noch wesentlich kostengünstiger bei uns als in China. Um sich ein Bild des Phänomens zu machen, ist ein im französischsprachigen Wirtschaftsmagazin „Bilan“ erschienener Artikel besonders erhellend (Sur dix montres vendues en Suisse, quatre le sont à Lucerne); gemäss ihm werden in der Schweiz 40% der Uhren in Luzern an mehrheitlich chinesische Touristen verkauft werden.

Was sportliche Aktivitäten angeht, so interessieren sich Chinesen wenig fürs Skifahren. Nur 5,5% der für den „Tourism Monitor Switzerland 2010“ befragten Chinesen bestätigen, sich selbst auf die Bretter gestellt zu haben. Dabei ist Skifahren die bevorzugte Winterbetätigung der Touristen in der Schweiz! Wunsch der Chinesen ist es, berühmte Orte und Baudenkmäler zu besichtigen: Sie sind begeistert von Bergbahn-Ausflügen auf weltbekannte Gipfel. Der Erfolg von Luzern, das schon seit längerem auf den asiatischen Herkunftsmarkt setzt, ist also verständlich. Die Stadt hat viel zu bieten: zahlreiche Luxusgeschäfte, berühmte Baudenkmäler wie die Kapellbrücke – und ganz in der Nähe den Pilatus mit seiner Bahn. Interlaken, das nahe beim Schilthorn und der Jungfrau liegt, ist bei den Chinesen ebenfalls sehr beliebt. Die nachfolgende Tabelle zeigt die bedeutenden Schweizer Tourismusregionen und den Anteil der von Chinesen generierten Hotelnächte. Die starke Konzentration auf die drei von den Chinesen bevorzugten Regionen ist sehr deutlich: Auf sie entfallen insgesamt 68,3% der chinesischen Logiernächte in der Schweiz.

 

VERTEILUNG DER DURCH CHINESEN GENERIERTEN HOTELNÄCHTE AUF DIE SCHWEIZER REGIONEN (2012)

Luzern – Vierwaldstättersee   

30.7 %       

Region Bern             

3.7 %

Region Zürich

20.1 %

Wallis

3.1 %

Berner Oberland

17.5 %

Tessin

2.4 %

Region Genf

9.1 % Region Basel 2.2 %

Waadtland

6.9 % Andere 4.3 %

 

Zermatt, Leukerbad … Welches Potenzial für das Wallis?

Das Wallis liegt etwas abseits der klassischen Pauschalreisen-Route chinesischer Touristen in der Schweiz. So lag es 2012 auch erst an 7. Stelle aller Tourismusregionen in Bezug auf die durch Chinesen generierten Logiernächte. Zermatt mit seinem Matterhorn, ein Must für viele touristische Herkunftsmärkte, gehört nicht zu den zehn Top-Destinationen in der Schweiz, auch wenn auf Zermatt 61% aller Übernachtungen von Chinesen im Wallis entfallen. Zwar zieht Zermatt mit Abstand am meisten chinesische Touristen ins Wallis, aber Leukerbad ist die Walliser Gemeinde, in der die Chinesen den grössten Anteil an den gesamten Hotelbuchungen ausmachen: 1,94%.

Wir haben mit David Kestens gesprochen, dem Marketingdirektor von Leukerbad, um zu erfahren, wie man dort vorgeht, um die chinesischen Touristen „abzuholen“. Die meisten von ihnen sind zum ersten Mal in der Schweiz und deshalb darauf erpicht, auf ihrer Reise möglichst viele bekannte Orte und Sehenswürdigkeiten zu besuchen. Leukerbad bietet sich als Etappenort zwischen Zermatt und dem Château de Chillon an, denn es kann mit einem einzigartigen Produkt aufwarten, das den Chinesen sehr zusagt: mit den Thermalbädern. Die chinesischen Touristengruppen kommen meist am späteren Nachmittag an, im Reisebus von Montreux oder Zermatt her. Gerne geniessen sie dann das Thermalbaden, bevor sie eine Nacht im Hotel verbringen, um am andern Tag wieder weiterzureisen. Die Zahl der chinesischen Einzelreisenden nimmt jedoch zu und deren Potenzial ist beträchtlich, auch wenn sie bisher immer noch in der Minderheit sind. David Kestens meint, sie würden gegenwärtig etwa 10% bis 20% der chinesischen Touristen in Leukerbad ausmachen.

Als grösster Thermalkurort in der Schweiz verfügt Leukerbad mit seinem Produkt über einen klaren Wettbewerbsvorteil. Es ist folglich heikel, die dortigen Gegebenheiten auf andere Walliser Destinationen zu übertragen. Wie bzw. mit welchen Strategien können dennoch, auch neben Leukerbad und Zermatt, andere Walliser Destinationen chinesische Touristen für sich gewinnen? Bruno Huggler ist Marktverantwortlicher bei „Valais/Wallis Promotion". In seinen Augen ist es sehr wichtig, dass man sich auf dem chinesischen Markt mit aller Konsequenz und unablässig engagiert zeigt. Crans-Montana und Verbier zum Beispiel bieten attraktive Shopping-Möglichkeiten inmitten eines herrlichen Panoramas. Mit seinen Bahnen, die bis hinauf zum Allalin-Gletscher führen, und dem grössten Eispavillon der Welt kann Saas-Fee mit einem unvergleichlichen Erlebnis aufwarten. Solche Produkte sind durchaus geeignet, chinesische Kunden anzuziehen. Entscheidend ist jedoch, dass man ein klares Profil zu erkennen gibt und gut in die Kreisläufe integriert ist. Für die Chinesen befindet sich das Wallis auf dem Weg von Paris nach Mailand und umgekehrt. Die meisten Walliser Touristenorte sind gut erreichbar. Um den chinesischen Touristen ein kohärentes Produkt anbieten zu können, ist eine gewisse Einheitlichkeit der touristischen Akteure erforderlich, wie die Beispiele Luzern und Interlaken mit ihren Uhrenmarken aufzeigen. Selbstverständlich müssen die Hotels in den Katalogen der Reiseveranstalter vertreten sein, aber auch Boutiquen, Luxusgeschäfte und Bergbahnen sind ein wichtiger Teil der Gleichung, wenn man ein Angebot konzipieren will, das chinesische Touristen anzulocken vermag. Die nachfolgende Tabelle zeigt die Walliser Top-Ten-Destinationen und die entsprechende Anzahl Hotelnächte von Chinesen, ihren prozentualen Anteil in Bezug auf das gesamte Wallis und auch in Bezug auf die Destination selbst.

 

Top-10-Destinationen VS     

Hotelnächte von Chinesen 2012

Anteil in Bezug auf das Gesamtwallis

Anteil in Bezug auf die Destination

Zermatt, Randa, Täsch 15788 % 60.7 % 1.18 %
Leukerbad 4686 % 18.0 % 1.94 %
Crans-Montana (6 Gemeinden) 1100 % 4.2 % 0.47 %
Bagnes (Verbier) 979 % 3.8 % 0.82 %
Martigny 938 % 3.6 % 1.06 %
Riederalp 609 % 2.3 % 1.33 %
Brig-Glis 555 % 2.1 % 0.39 %
Saas-Fee 353 % 1.4 % 0.10 %
Betten 118 % 0.5 % 0.26 %
Saillon 88 % 0.3 % 0.34 %
Andere 776 % 3.0 % 0.06 %

 

Erfolgsrezept für den chinesischen Markt

Die Regionen Vierwaldstättersee und Berner Oberland lassen sich bezüglich ihres Tourismusangebots nicht mit dem Wallis vergleichen. Keine einzige Walliser Destination besitzt ähnliche Eigenheiten wie Luzern oder Interlaken. Das ist eine Tatsache. Aber es ist interessant zu ergründen, was sonst noch zum Erfolg bei den Chinesen beiträgt. Können wir überhaupt mit dem Berner Oberland in Konkurrenz treten? Harry John von „BE! Tourismus" hat uns einige Fragen beantwortet. Er bestätigte uns, dass von den Bergbahnbetreibern an der Jungfrau und am Schilthorn sowie von den Tourismus-Büros Interlaken, Jungfrauregion und Bern grosse Marketing-Anstrengungen für die asiatischen Märkte unternommen wurden. Vor allem die Jungfrau-Bahnen waren in Asien sehr aktiv und hatten, schon lange vor Schweiz Tourismus, Verkaufsförderungsreisen nach Asien unternommen; auch haben sie in China zwei ständige Vertreter. Zudem spielen Niederlassungen von Uhrenmarken, wie Kirchhofer und Bucherer, in China eine nicht unbedeutende Rolle. Dank ihrem hohen Bekanntheitsgrad in China sind Luxusmarken hervorragende Partner, mit denen man zum Beispiel Co-Branding-Verträge schliessen kann, was es einer Tourismus-Destination ermöglicht, vom Glanz einer solchen Marke zu profitieren. Interlaken und Luzern gehen auf diese Weise vor, weisen auf ihre zahlreichen Luxusboutiquen hin und auch darauf, dass sie ganz in der Nähe von Ausflugsmöglichkeiten auf bekannte Aussichtsberge liegen. Harry John betont daneben, dass es für das Berner Oberland Unterkunftsmöglichkeiten zu anständigen Preisen gibt, entweder in Interlaken selbst oder dann etwas abseits der bekannten Tourismusorte, im nahe gelegenen Haslital zum Beispiel. Seine Bemerkung passt gut zur allgemeinen Vorstellung, die man von den chinesischen Touristen in Europa hat und die sich mit einem Satz karikieren lässt: „Sleep cheap, shop expensive”. Umberto Erculiani, Besitzer des „Grand Hotel National“ in Luzern meint dazu: „Diese Gäste geben 2000 Fr. für eine Uhr aus, begnügen sich aber mit einem Zimmer, das man ihnen zum Spottpreis von 40 Fr. pro Nacht zur Verfügung stellt. Daneben geben sie kaum etwas aus, was für die lokale Wirtschaft interessant wäre.“ Einige 4- und 5-Sterne-Hotels verstehen es jedoch, das Phänomen zu nutzen, indem sie Gruppenreisende in den Genuss von sehr tiefen Zimmerpreisen kommen lassen – im Wissen, dass die chinesischen Gäste dafür den Umsatz der Boutiquen im Hotel ankurbeln werden.

Wenn Sie noch mehr zu diesem Thema lesen möchten, empfehlen wir Ihnen folgende Links:

  • Der französischsprachige Radiosender RTS hat den Chinesen, die Interlaken stürmen, eine Reportage gewidmet. Hier ein Auszug: Extrait.
  • Waadtland Tourismus lud fast zwei Dutzend chinesische Medien-Vertreter ein. Das Ereignis fiel nicht von ungefähr in die gleiche Zeit wie die Lancierung  einer Direktverbindung zwischen Peking und Genf durch Air China. Es lohnt sich, die RTS-TV-Sendung „Couleurs locales“  mit einer besonderen Reportage zum Thema anzusehen.
  • Wie wir bereits früher in einem Blog-Beitrag bemerkten, hat St. Moritz beschlossen, seine Kommunikation an die chinesischen Besucher anzupassen. Parallel zur Eröffnung eines Kontos auf Weibo, einem Pendant zu Twitter, hat der bekannte Bündner Tourismusort seinem Internet-Portal eine chinesische Abteilung hinzugefügt. Die neuen Seiten sind nicht einfach nur eine Übersetzung; sie wurden so adaptiert, dass diejenigen Aktivitäten hervorgehoben werden, die Chinesen besonders interessant finden, so dass der Nachfrage chinesischer Touristen besser Rechnung getragen wird.

Ein für Chinesen stimmiges Hotellerie-Produkt - eine harte Nuss für die meisten Destinationen im Wallis.

Abgesehen von der Tatsache, dass im Wallis nur wenige Orte über Shopping-Möglichkeiten verfügen, die mit Luzern oder mit Interlaken einigermassen verglichen werden könnten, gibt es ein weiteres Argument, das oft ins Feld geführt wird, wenn es um die Walliser Marktstellung hinsichtlich der chinesischen Besucher geht: In unserem Kanton seien nur wenige Hotels ausgerüstet, um diese spezielle Kundschaft aufnehmen zu können. Welche wichtigen Voraussetzungen müssen denn für chinesische Hotelgäste erfüllt sein?

Um Gruppen von 15 bis 35 Personen unterbringen zu können, braucht es zunächst einmal ausreichend Zimmer, was bereits für zahlreiche Hotels und Destinationen im Wallis ein Problem darstellt. Für diesen spezifischen Markt wenden sich zudem die Tour-Operatoren fast systematisch an die Land-Operatoren, um Reservationen vorzunehmen. Das heisst, dass eine Destination unbedingt im System des entsprechenden Land-Operators erfasst sein muss, um überhaupt vorgeschlagen zu werden und eine Chance zu haben, für Buchungen berücksichtigt zu werden. Das bedeutet wiederum, dass zwischen dem Endkunden und dem Hotel drei Vermittler stehen: die Agentur, der Tour-Operator und der Land-Operator. Der letzte verlangt generell eine hohe Kommission (etwa 30%), mit der dann auch die Kommissionen der anderen Zwischenhändler abgedeckt werden.

Schliesslich ist die Sprache ein grosses Problem. Chinesen sprechen nur selten Englisch, Französisch oder Deutsch. Auch wenn die Gruppen in Begleitung eines Chinesisch sprechenden Führers reisen, ist es äusserst wichtig, dass Informationen in Chinesisch zur Verfügung stehen. Die Reisebegleiter haben übrigens einen grossen Einfluss auf die Wahl der Destinationen, Hotels und Boutiquen, die von den Gruppen berücksichtigt werden. Es ist höchst wahrscheinlich, dass sie sich zu Orten hingezogen fühlen, von denen sie wissen, dass die Boutiquen ihnen eine Kommission auf die Einkaufssumme ihrer Gruppen gewähren. Destinationen und auch Boutiquen, die da nicht mitmachen, werden vermutlich übergangen.

Man kann davon ausgehen, dass die Teilnehmer einer chinesischen Gruppenreise sich vor Reiseantritt nicht kennen. Das ist unproblematisch für Menschen aus einem Kulturkreis, der vom Gemeinschaftssinn geprägt ist. Aber die Hotels müssen sich darauf einstellen und z. B. Doppelzimmer mit separat gestellten Betten anbieten. Chinesen sind zudem abergläubisch! Dies hat Auswirkungen auf den (Hotel)-Alltag: Chinesen darf man kein Zimmer im 4. Stock und auch keins mit der Nummer 4, 14 oder 24 zuteilen. Auf Chinesisch hört sich die Zahl 4 ähnlich an wie das Wort „Tod“. Deshalb werden in China diese Zimmernummern oft durch 3b, 13b oder 23b ersetzt oder aber sie fehlen einfach, wie das in Aufzügen in chinesischen Gebäuden oft auch mit dem 4. Stock der Fall ist. Die Zahlen 6, 8 und 9 bringen hingegen Glück… Das Hotel sollte unbedingt darauf achten, den chinesischen Gästen einen Wasserkocher zur Verfügung zu stellen. Chinesen trinken sehr gern und viel Tee. Dieser wird übrigens zu den Mahlzeiten meist gratis serviert. Im Zimmer sollten zumindest genügend Teebeutel bereit liegen! Chinesen reisen oft mit wenig Gepäck, weshalb sie es schätzen, wenn Hygiene-Artikel wie Shampoo, Zahnbürste und Zahnpaste für sie bereit liegen.

Wenn kein chinesischer Koch in der Küche steht, sollte sich der Hotelier, was das Essen angeht, an die Grundregeln der chinesischen Küche erinnern. Chinesen bleiben meist nicht sehr lange bei Tisch, schätzen aber eine Auswahl von vielen verschiedenen Gerichten aufs Mal. Man ist also gut beraten, ihnen eine ganze Reihe kleiner Portionen mit Fleisch, Gemüse, Eierspeisen usw. anzubieten. Milchprodukte sollte man meiden – und unbedingt darauf achten, dass beim Kochen Rahm, Käse und Butter nur mit viel Zurückhaltung verwendet werden. Falls sich Chinesen an ein Raclette oder Fondue wagen, sollte man ihnen nur Mini-Portionen zum Versuchen geben, denn sonst bekommen sie Bauchschmerzen und es wird ihnen übel. Chinesen sind nicht gern allein beim Essen. Wenn eine Gruppe zusammen reist, ist es eine gute Idee, ihr einen grossen runden Tisch anzubieten, um den sie sich scharen können. Gefrühstückt wird üblicherweise zwischen 7:00 und 8:00, das Mittagessen wird um 12:00 erwartet und das Abendessen zwischen 18:00 und19:00.

Wir haben hier nur einige wenige, aber wichtige Eigenheiten der chinesischen Lebensart zusammengefasst. Wenn Sie mit chinesischen Touristen arbeiten möchten – oder auch nur um Ihre Neugierde zu stillen – legen wir Ihnen den ausgezeichneten Führer von hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus ans Herz: Chinesen zu Gast 
in der Schweiz
.

Chinesen auf der Skipiste? Ein interessantes Potenzial?

Wie wir bereits auf Grund der Zahlen aus dem „Tourism Monitor Switzerland 2010“ wissen, gehört Skifahren nicht zu den Lieblingsbeschäftigungen der Chinesen. Dabei ist gerade der Skisport eine der wichtigsten Aktivitäten im Walliser Tourismus, und beide Organisationen, hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus, betonen, dass das Interesse für Aktivferien in China zunimmt. Besteht hier vielleicht Potenzial? In welcher Form?

Aus einer Studie der kanadischen Tourismus-Kommission geht hervor, dass die Schweiz und Japan die vordersten Plätze belegen, wenn in China überlegt wird, wo im Ausland man Skiferien verbringen möchte. Seitdem Air China eine direkte Flugverbindung zwischen Peking und Genf anbietet, scheint das Wallis also grundsätzlich gut geeignet, chinesische Skifahrer anzuziehen, die ihre Ferien im Ausland verbringen möchten. Die gleiche kanadische Studie – die übrigens auf an drei Skiorten in China durchgeführten Interviews beruht – belegt allerdings weiter, dass die chinesischen Skifahrer insgesamt einen etwa zehntägigen Aufenthalt im Ausland ins Auge fassen, während dem sie durchschnittlich zwei Tage dem Skisport widmen. Die grosse Mehrheit der Befragten betrachtet sich zudem als wenig erfahren und wünscht sich deshalb leichte Pisten. Folglich werden sich solche Ferien meistens durch ein wenig Skifahren auszeichnen, das ergänzt wird mit der Besichtigung von Städten und Naturschönheiten in der Nähe sowie durch kulturelle, künstlerische und andere sportliche Aktivitäten und natürlich... Shoppen. Das Potenzial im Bereich Skisport scheint also für diesen Markt doch eher beschränkt.

Fazit

Dass die Chinesen zu Rettern der Schweizer Tourismusbranche werden, ist eine Behauptung, die für gewisse Schweizer Regionen richtig sein mag, für das Wallis aber ist sie eindeutig übertrieben. Sogar Zermatt bleibt weit hinter den beiden Schwergewichten auf diesem Markt, Luzern und Interlaken, zurück. Die Gewohnheiten von Reisenden können sich zwar schnell ändern, und die Chinesen stellen einen relativ jungen Ausgangsmarkt dar. Chinesische Reisende, die über ausreichend Mittel verfügen, um die Schweiz auf eigene Faust zu erkunden, werden bereits zahlreicher. Gemäss dem „World Wealth Report“ wird die Zahl der Millionäre in China zwischen 2011 und 2016 um 106% zunehmen, gegenüber einer Zunahme von nur 7% in Westeuropa.

Dank ihrem ausgezeichneten Image ist die Schweiz gut positioniert, um die neue Kundschaft anzuziehen. Allerdings sind die Chinesen keine einfache Hotelkundschaft. Dieser Markt dürfte nur für diejenigen rentabel werden, die sich pro-aktiv verhalten und ihr Angebot spezifisch anpassen, und zwar auf allen Ebenen des Marketing-Mix. Auch wenn es illusorisch scheint, je gleiche Zahlen wie Luzern zu erwirtschaften, können sich Strategien, die auf Nischenmärkte ausgerichtet sind, lohnen.

So könnte der Weintourismus die Chinesen ansprechen, wie eine RTS-Reportage über eine kleinere chinesische Touristengruppe zu Besuch auf einem Weingut im Lavaux zeigt. Ein weiteres Beispiel wurde uns vom Verein Divin-Valais genannt, der sich mit der Förderungsberatung für Kooperationsprojekte mit chinesischen und Walliser Partnern befasst. Er hat uns bestätigt, dass Revitalisierungskuren in der Schweiz in China boomen. Um einen längeren Aufenthalt in der Schweiz zu bewirken, muss man gemäss Divin-Valais vor allem diejenigen Kunden ansprechen, die schon einmal in unserem Land waren. Wenn wir unsere reine Bergluft in den Vordergrund stellen, unsere Skigebiete und Bergbahnen, die Natur und die Berge, dann können wir das Wallis als höchst interessante Destination für ein reisegewohntes Kundensegment positionieren, das sich länger in unserem Land aufhalten möchte. Dieser Markt stellt ein grosses Potenzial dar, umso mehr als Air China seit dem 7. Mai 2013 eine direkte Flugverbindung zwischen Peking und Genf anbietet. Tan Yan, Journalist bei BBTV, erklärte dazu am Mikrofon von Télévision Suisse Romande: „In China ist es immer sehr bewegt, alles geht sehr schnell. In der Schweiz, so habe ich den Eindruck, vertragen sich die Gemächlichkeit und das moderne Leben gut. Von Peking aus in nur 10 Stunden diese Ruhe finden – das ist nicht viel für etwas sehr Verlockendes.“

Dank: Wir bedanken uns ganz herzlich für ihren Beitrag bei: Bruno Huggler von Valais/Wallis Promotion, David Kestens von Leukerbad Tourisms, Harry John von „BE! Tourismus“, Lan Zhu und Divin-Valais.

Nachweise:

Canadian Tourisme Commission. (2012). 2012 China ski study, Research report.

Hotelleriesuisse und Schweiz Tourismus. (2012). Chinesen zu Gast in der Schweiz.

Le Temps. (2013). Le boom du tourisme chinois s’accélère en Suisse. Online: http://www.letemps.ch/Page/Uuid/7d7441a0-6e2f-11e2-bb3e-5e907e9d47d5/Le_boom_du_tourisme_chinois_sacc%C3%A9l%C3%A8re_en_Suisse

Österreichische Hoteliervereinigung. (2005). China meets Austria, unsere Gäste aus China kennen- und verstehen lernen.

Bundesamts für Statistik [BFS]. (2013). Beherbergungsstatistik (HESTA). http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/fr/index/infothek/erhebungen_quellen/blank/blank/ehesta/02.html

RTS. (2013). Ouverture à l'aéroport de Cointrin de la ligne directe Genève-Pékin. Online: http://www.rts.ch/info/regions/geneve/4884821-ouverture-a-l-aeroport-de-cointrin-de-la-ligne-directe-geneve-pekin.html

Knight Frank Research. (2012). The world wealth report 2012.

The Economist. (2010). Chinese tourists, a new Grand Tour. Online: http://www.economist.com/node/17722582

Welttourismusorganisation (2013). China - the new number one tourism source market in the world. Online: http://media.unwto.org/press-release/2013-04-04/china-new-number-one-tourism-source-market-world

Hurun Report. (2013). Hurun Report publishes The Chinese Luxury Traveler (2013) for third time with ILTM. Online: http://www.hurun.net/usen/NewsShow.aspx?nid=469